Auffällig ist, wie sehr diese Straße auf vielen Ebenen genutzt wird: zum Einkaufen, zum Treffen, für Kultur, für Arztbesuche und zum Arbeiten. Ein Ort für alles – oder zumindest vieles. Und doch wird diese Offenheit auch kritisch gesehen. Viele Teilnehmende benennen Missstände: Lärm, Müll, Baustellen, Drogenkonsum, chaotischer Verkehr. Begegnungen können eben auch belasten, wenn der Raum dafür nicht gestaltet ist. Die (ehemalige) Baustelle auf der Straße, der enge Raum für Fuß- und Radverkehr, fehlende Rückzugsorte – all das erschwert die Aufenthaltsqualität, besonders für Kinder, Ältere und mobil Eingeschränkte.
Was sagt das über das Zentrum Karl-Marx-Straße aus? Dessen Motto lautet: jung, bunt, erfolgreich. Die Umfrage zeigt, dass „jung“ und „bunt“ ohne Zweifel stimmen. Aber erfolgreich? Wenn Erfolg bedeutet, dass sich Menschen begegnen können, dass sie ihre Straße als ihren Ort erleben, dann ist die Karl-Marx-Straße auf einem guten Weg. Wenn Erfolg aber nur durch neue Geschäfte, kommerzielle Nutzung und saubere Fassaden gemessen wird, bleibt dieses Bild unvollständig. Denn was viele der Teilnehmenden sich wünschen, ist nicht mehr Konsum, sondern mehr Qualität in den Begegnungen: ein sauberer Platz zum Sitzen, ein sicherer Weg zur Schule, ein Café mit Zeit statt nur mit Umsatzdruck. Eine Teilnehmerin der Umfrage sagt zum Beispiel: „Die Karl-Marx-Straße ist prall gefüllt mit Leben, egal ob auf dem Markt, im Café, in der Arztpraxis oder in den vielfältigen Kulturzentren. Menschen lieben und leben die Gemeinschaft und das Miteinander in Neukölln! Dafür braucht es dringend mehr Räumlichkeiten der Stadt, die offen für alle sind!“.
Die Umfrage liefert am Ende nicht die EINE Antwort, aber sie zeigt ein starkes Interesse an der Straße – und an ihrer Zukunft. Das Citymanagement will die Ergebnisse nun nutzen, um eine neue Webseite und eine gemeinsame Standortkampagne zu entwickeln. Ein Schritt in die richtige Richtung. Denn wenn eine Straße etwas über eine Stadt erzählt, dann ist die Karl-Marx-Straße ein Kapitel voller Stimmen. Man muss nur gut hinhören.
Tina Steinke, Citymanagement