Im BROADWAY #12 – 2020/21 wurde das Thema „Zusammen“ zum Leitgedanken gewählt. Die Corona-Pandemie fordert das Zusammen heraus, ganz besonders auch in Neukölln. Zusammenhalt ist nötiger denn je. Das Magazin betrachtet das „Zusammen“ aus unterschiedlichen Perspektiven, stellt gemeinsam gefundene Strategien vor, schaut auf gemeinschaftliche Projektentwicklungen im Zentrum Karl-Marx-Straße oder auf den Zusammenhalt über religiöse Grenzen hinweg.

Stand November 2020

Berlin Global Village: Zusammen eine große Wirkung haben

Auf dem ehemaligen Kindl-Gelände entsteht zurzeit der Neubau für einen einzigartigen Zusammenschluss von rund 40 entwicklungspolitischen und migrantischen Nichtregierungsorganisationen: Im Eine-Welt-­Zentrum arbeiten und treffen sich Menschen aus aller Welt, um von hier aus ihre Arbeit in einem großen Netzwerk voranzutreiben. Wir trafen uns mit Armin Massing, Geschäftsführer des „Berlin Global Village“ Trägervereins, und sprachen mit ihm über die Ziele und das neue Gebäude sowie den Standort Neukölln.

Berlin-Global-Village

Im September 2019 wurde die Grundsteinlegung gefeiert,
Ende 2020 wird der Neubau bereits fertig gestellt. © Sedat Mehder

Armin Massing führt uns nach der Begrüßung in die Küche in der zweiten Etage des alten Backsteingebäudes Am Sudhaus 2, wo schon heute um die 13 Nicht-Regierungsorganisationen, Verbände und Vereine ihren Sitz haben. Armin Massing wechselt freudig ein paar Worte mit einer Frau, die gerade Tee kocht. Die Küche, sagt er, ist ein sehr wichtiger Ort. Sie ermöglicht spontane Treffen und einen informellen Austausch zwischen den vielen unterschiedlichen Menschen und Organisationen. Derzeit bietet die kleine Küche allerdings keinen Platz zum Verweilen. Doch das soll sich ändern. Im Erdgeschoss erklärt uns Armin Massing, was es bedeutet, entwicklungspolitische Arbeit zu leisten. Es geht um große Themen, wie die Beziehungen zwischen dem globalen Norden und Süden: Dekolonialisierung, Migration, nachhaltige Entwicklung nach den Richtlinien der weltweiten Ziele für Nachhaltigkeit sowie die Bedeutung des globalen Lernens. Viele der Themen fielen noch vor wenigen Jahren unter den Begriff Entwicklungshilfe. Heute ist Entwicklungszusammenarbeit der angemessene Ausdruck. Er zeigt, dass kritisches Hinterfragen und Evaluation in der aktuellen Arbeit zum Alltag gehören und einen ständigen Lernprozess vorantreiben.

Das Global Village ist für viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter hier eine Lebensaufgabe geworden. Das Zentrum ist in Deutschland der Hauptsitz der Nichtregierungsorganisationen mit Schwerpunkt entwicklungspolitischer Arbeit und könnte künftig auch europaweit eine besondere Rolle spielen. Es hat viele Jahre viel Schweiß und Einsatz gekostet, Unterstützung von Seiten der Politik zu gewinnen und Fördermittel zu erhalten, um das Projekt auf die Beine zu stellen. Ein solches Projekt auch an anderer Stelle aufzubauen, wäre wahrscheinlich nur mit einem großem Aufwand möglich – und mit ein bisschen Glück. Denn das Global Village steht mitten im belebten Neukölln auf einem Grundstück der Terra Libra GmbH, nach deren Philosophie nur gemeinwohlorientierte Projektinitiativen Pächter des Bodens werden können. So bietet auch die Nachbarschaft, die ebenfalls auf dem Boden der Terra Libra GmbH im Erbbaurecht baut, eine besondere, inspirierende Kulisse.

Eine-Welt-Zentrum

Visualisierung des Erweiterungsbaus Berlin Global Village, © Anne Lampen Architekten GmbH

Als wir den Rohbau des neuen Gebäudes betreten, erklärt Armin Massing, dass das Global Village über das Kindl-Gelände hinaus eine Verbindung in den Kiez schaffen möchte. Denn Entwicklungspolitik wirkt sich auch auf Neukölln aus und soll auf allen Ebenen von lokal zu global im neuen Zentrum mitgedacht werden. Dabei wird das Erdgeschoss des Neubaus mit seinen hohen Decken und den vielen öffentlichen Räumen und transparenten Fassaden eine wichtige Rolle spielen. Geplant ist zum Beispiel ein großer Ausstellungsraum für „glokale“ Kunst, der an den öffentlichen Außenraum anschließt. Ein Fair-Trade-Café stellt nicht nur das horizontale Bindeglied zwischen Alt- und Neubau, sondern auch ein vertikales Verknüpfungselement dar: Wer im Erdgeschoss aus dem Aufzug steigt, steht direkt im Café, dem sozialen Mittelpunkt des Hauses. Im hinteren, intimeren Abschnitt ist eine Ludothek, ein Spielraum mit einer Sammlung von Spielzeugen aus der ganzen Welt, geplant. Deren Inneres wird bei Nacht warmes Licht durch die milchig-transparente Fassade nach außen werfen.

Auch die oberen Geschosse sind aufmerksam durchdacht. In Zusammenarbeit mit den ansässigen Vereinen sowie dem Architekturbüro Anne Lampen Architekten wurden die Grundrisse konzipiert. Jede Etage wird über eine Gemeinschaftsküche, eine Großraumbürofläche sowie kleinere Räume verfügen, die den unterschiedlichen Anforderungen der Initiativen gerecht werden und getauscht werden können. Dabei sind die Vereine nach drei thematischen Schwerpunkten den Etagen zugeordnet worden: Fairer Handel, globales Lernen und migrantisch-diasporische Arbeit. Für alle Beteiligten ist die konsequente Durchsetzung der Barrierefreiheit sehr wichtig, auch wenn dies zu höheren Mietkosten führt. Das Obergeschoss mit großzügiger Dachterrasse soll für alle Initiativen als Ort der Zusammenkunft zugänglich sein und Platz für Veranstaltungen bieten. Im „Raum der Stille“ kann künftig Kraft getankt oder gebetet werden. Von hier oben aus hat man einen weiten Blick auf die Dächer der Stadt. Was häufig nur einigen Wohlhabenden vorbehalten ist, wird im Global Village Gemeingut sein. Auch hiermit, so Armin Massing, will das Global Village ein Zeichen setzen.

Jasmina McKenna, raumscript, mit Dank an Armin Massing von Berlin Global Village e.V.

Berlin Global Village

Das Land Berlin hat das Vorhaben 2018 mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 3 Millionen Euro an die Berlin Global Village gGmbH ermöglicht. Zusätzlich unterstützt der Bund mit 1,8 Millionen Euro. Über die Hälfte, 7,9 Millionen Euro, erbringen die Nichtregierungsorganisationen selbst langfristig über einen Kredit.

www.berlin-global-village.de