„Verborgen“ heißt das Thema des Broadway Nº 9 – 2017/2018. Die BROADWAY-Redaktion hat verborgene Orte und Menschen an der Karl-Marx-Straße ins Licht gerückt. Dazu gehören ein anderer Blick auf die Baustelle Karl-Marx-Straße, das unterirdische Kindl-Gelände, verborgene Höfe der Karl-Marx-Straße oder ein Blick hinter die Kulissen der Neuköllner Oper und der Neukölln Arcaden.

Unfreiwillig verborgen – Einzelhandel im Baustellenbereich

„Vertrauen ist eine Oase im Herzen, die von der Karawane des Denkens nie erreicht wird.“ (Khalil Gibran) Nimmt man unser Vorhaben müsste es umgekehrt heißen: Die Oase ist ein Vertrauen im Herzen, die von der Karawane des Denkens nicht erreicht wird.

Baustelle vor Bioase

Inhaberin Elke Dornbach und Nadia Massi vor der bioase44 © bioase44

Als wir uns 2012 dazu entschlossen, mit der bioase44 einen Naturkosteinzelhandel auf der Karl-Marx-Straße zu eröffnen, war es ein Schritt ins Ungewisse. Ziel war es, als Pioniere ein biologisches Vollsortiment bestehend aus Feinkost, Gemüse und Obst, Teigwaren, Brot, Konditoreiprodukte aber auch Naturkosmetik und vieles mehr zu bieten. Die Idee, den Bioladen in Neukölln bioase zu nennen, könnte man aber auch anders als oben interpretieren: Eine Oase ermöglicht auf vielfältige Weise Leben.

Bei der Auswahl von Sortiment und Lieferanten waren uns vor allem die Aspekte Regionalität und Saisonalität wichtig. Schnell entwickelte sich die bioase44 zur Anlaufstation für Kulturliebhaber, Ernährungsbewusste und Allergiker, aber auch für Menschen mit geringem Budget. Einkommen sollte nicht das Kriterium sein, nachhaltige und gesunde Lebensmittel kaufen zu können. Ein Zwei-Preis-System ermöglicht es, bei regelmäßigem Einkauf über einen Mitgliedschaftsbeitrag Kosten zu sparen.

Baustelle vor Bioase

Die bioase44 an der Baustelle Karl-Marx-Straße © Andris Fischer

Die anfängliche Ungewissheit kam 2014 mit den Umbauarbeiten an der Karl-Marx-Straße zurück. Unser Laden, an der Schnittstelle von zwei Bauabschnitten gelegen, wurde doppelt durch die negativen Auswirkungen der Baustelle getroffen. Die Einbahnstraße sowie die engen Gehwege erschwerten die Erreichbarkeit. Jahrelanger Schmutz und Dreck vor der Tür und fehlende Möglichkeiten, Tische und Stühle auf den Gehweg zu stellen, schränkten die Attraktivität deutlich ein. Unsere Lieferanten mussten oft eigentümliche Wege zur Anlieferung nehmen. Nicht selten mussten die Waren über unbefestigte Baustellenbereiche transportiert werden. Die versehentliche Kappung einer Stromleitung führte zu einem Stromausfall und damit zum Abschalten unserer Kühltheken. Am Ende mussten wir Kunden- und Umsatzverluste hinnehmen.

Wir haben in den letzten Jahren viel geflucht, aus Verzweiflung gelacht, aber wir haben nie aufgegeben. Auch nicht, als wir erfuhren, dass die erste Biomarktkette sich in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ansiedeln wird. Hinschmeißen kam für uns nicht in Frage. Wir überlegen immer wieder, wie wir uns neu aufstellen können. Mit Hilfe des Aktionärsfonds der [Aktion! Karl-Marx-Straße] gestalten wir unsere Werbeanlagen um, um gerade auch in den Abendstunden besser sicht- und wahrnehmbar zu sein.

Wichtig war und ist uns der persönliche Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden. Wir wünschen uns, dass uns die Neuköllner*innen treu bleiben oder neu entdecken. Wir wollen mit unserem Geschäft eine lokale Oase bieten, die kurzzeitig Erholung vom lauten Alltag bietet und Treffpunkt für unterschiedliche Kulturen und Identitäten ist.

Nadia Massi, bioase44 (Karl-Marx-Straße 162)