Broadway Nº 13
„Potenzial lokal“ heißt das Oberthema der 13. Ausgabe des Magazins BROADWAY Neukölln. Im zweiten Jahr der Pandemie war es dem Redaktionsteam besonders wichtig, einige der besonderen und vielfältigen Potenziale des Zentrums Neukölln ins Blickfeld zu rücken. Diese Potenziale sind es, die Kraft und Anziehungskraft entfalten, sich abheben und damit besondere Angebote für die Menschen hier und die Gäste des Zentrums Karl-Marx-Straße machen.
Stand Dezember 2021
Potenzial lokal
Was prägt das Zentrum Karl-Marx-Straße? An erster Stelle sind es die Menschen, die sich hier mit ihrer Kraft, ihren Ideen und Unternehmungen einbringen. Sie tun das an einer Vielzahl besonderer Orte und schaffen Angebote, die sie in ihre Nachbarschaft und in die Welt tragen. Weiterlesen…

Weichenstellung für das Kindl Konglomerat
Ende Oktober wurde das Werkstattverfahren Kindl Konglomerat für das Grundstück oberhalb der ehemaligen Vollguthallen entschieden. Zur Auswahl standen drei beeindruckende städtebauliche Entwürfe für diesen traditionsreichen und besonderen Ort im Zentrum Neuköllns. Weiterlesen…

Post-Corona: Wie entwickeln wir die Innenstädte der Zukunft?
Was trägt die Zentren aus der Krise? Eins scheint trotz aller Unsicherheiten immer klarer zu werden: eine gute Angebotsmischung, die die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Weiterlesen…

Die Helene-Nathan-Bibliothek: Ein Ort des Lernens und der Inspiration
So vielfältig wie Neuköllns Norden spiegelt die Helene-Nathan-Bibliothek mit ihren unterschiedlichen Angeboten und dem abwechslungsreichen Programm die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen hier wider und bereichert den Kiez. Weiterlesen…

Die Welt in Neukölln
Das Zentrum Karl-Marx-Straße ist die Heimat für viele Kulturen. Die multikulturelle Atmosphäre zieht Gäste und die Nachbarschaft gleichermaßen an, macht ihnen Angebote und strahlt zurück in die Welt. Weiterlesen…

Gesundheitsstandort Karl-Marx-Straße
Neben dem Einzelhandel, der Gastronomie und den Kulturstandorten sind die Gesundheitseinrichtungen ein prägender Bestandteil der Angebote im Zentrum Karl-Marx-Straße und damit ein großes lokales Potenzial. Weiterlesen…
Der Architekt für Neukölln: Reinhold Kiehl
Kein anderer Architekt hat das explodierende Rixdorf und spätere Neukölln Anfang des 20. Jahrhunderts so geprägt wie Stadtbaurat Reinhold Kiehl. Aus eigener Planung und Bauleitung entstanden in den acht Jahren seiner Tätigkeit für Rixdorf 14 Schulen und weitere 33 öffentliche Gebäude und Einrichtungen – vom Krankenhaus und Rathaus über ein Elektrizitätswerk bis zur Trinkhalle. Weiterlesen…

Ein Kunstfestival als Botschafter Neuköllns
48 STUNDEN NEUKÖLLN verwandelt den Bezirk einmal im Jahr in ein künstlerisches Experimentierfeld. Es ist ein Forum für künstlerische Projekte aller Sparten der Berliner Kunstszene und hat sich seit der Gründung 1999 als Berlins größtes freies Kunstfestival etabliert. Weiterlesen…

Karl-Marx-Straßen anderswo
Nomen est Omen: Mit Namen verbinden wir bestimmte Eigenschaften und Vorstellungen. Sie sind Teil einer Identität und prägen uns ein Leben lang. Weiterlesen…
Grußwort
Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand Juli 2021
Grußwort
Liebe Leser*innen,
seit nun schon gut 10 Jahren ist das Gebiet rund um Karl-Marx-Straße und Sonnenallee ein städtebauliches Sanierungsgebiet. Seitdem wurden hier auf Grundlage der Sanierungsziele viele Ideen entwickelt und umgesetzt. Das erfordert eine Menge Abstimmung zwischen ganz unterschiedlichen Stellen und Akteuren. Mit dem KARLSON nehmen wir Sie nun acht Jahre mit auf die Reise durch das Sanierungsgebiet. Trotzdem lohnt sich ein genauer Blick, was alles zusammen kommen muss, damit eine Maßnahme im Sanierungsgebiet umgesetzt werden kann. Den Auftakt der diesjährigen Ausgabe des KARLSON bildet deshalb der Blick auf Verfahrensschritte und Beteiligte, die hierfür eingehalten, in Einklang gebracht und abgestimmt werden müssen.
Seit dem Start der Sanierung informieren wir in den unterschiedlichsten Formaten über das Sanierungsgebiet und die einzelnen Vorhaben. Methoden und Möglichkeiten wurden hierbei in den vergangenen Jahren deutlich erweitert – nicht zuletzt haben viele neue digitale Werkzeuge die Beteiligung durch die Pandemie getragen. Doch auch die Strukturen haben sich verbessert. So unterstützt die neue Anlaufstelle für die Beteiligung von Bürger*innen die entsprechenden Prozesse seit April in ganz Neukölln. Im Interview stellen die Mitglieder der Anlaufstelle ihre Aufgaben und Angebote vor.
Konkret geplant wurde und wird derzeit für den Karl-Marx-Platz und auf dem ehemaligen Kindl-Gelände. Während am Karl-Marx-Platz die letzten Schritte hin zur Bewilligung und Finanzierung für die Neugestaltung gemacht werden, wurde für das VOLLGUT auf dem Kindl-Gelände im Juni ein Werkstattverfahren für die städtebaulichen Planungen begonnen.
Ein weiteres Projekt ist die „Kunstbrücke“. Unter der Federführung des Kulturamtes wird am Anleger Wildenbruchbrücke in der ehemaligen Toilettenanlage eine kleine Kunstgalerie entstehen – ein Ort, der vielen bisher sicher gar nicht weiter aufgefallen ist.
Der Blick zurück geht in diesem Jahr auf die historische Kaufhauskultur an der Karl-Marx-Straße. Die Entwicklungen in diesem Bereich sind ein Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse der jeweiligen Zeit. Die Geschichten, die erzählt werden, sind deshalb so interessant. Ständige Anpassungen der Konzepte und vorausschauendes Investieren gehörten immer dazu. Heute gilt dies vor dem Hintergrund der Pandemie und dem wachsenden digitalen Angebot ebenfalls.
Zum Abschluss gibt die Sanierungszeitung Einblick in eine sanierungsrechtliche Genehmigungspraxis, die das Leben für Mensch und Natur gleichermaßen verbessern soll. Die Rede ist von der Umgestaltung von Wohnhöfen – hin zu mehr grün und weniger versiegelten Flächen. Auch wenn es einzelne Eigentümer*innen schon vormachen: Klimaschutz und Artenvielfalt müssen an dieser Stelle einfach ganz selbstverständlich werden.
Jochen Biedermann
Stadtrat für Stadtentwicklung, Soziales und Bürgerdienste
Jochen Biedermann (© Susanne Tessa Müller)
Neuwahl der Lenkungsgruppe der A!KMS
Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand Juli 2021
Neuwahl der Lenkungsgruppe der A!KMS
Die Lenkungsgruppe ist das Akteursgremium der [Aktion! Karl-Marx-Straße]. In ihr tauschen sich viele verschiedene Akteure der Karl-Marx-Straße zu den zentralen Projekten und Planungen im Gebiet aus. Neue Entwicklungen im Zentrum Karl-Marx-Straße werden hier frühzeitig thematisiert und von den Mitgliedern im engen Austausch mit der Verwaltung diskutiert. Dabei befassen sich die Mitglieder der Lenkungsgruppe nicht nur mit den aktuellen Fördermaßnahmen, wie dem Umbau der Karl-Marx-Straße. In der Lenkungsgruppe werden außerdem die Planungs- und Bauprozesse der Schlüsselimmobilien entlang der Karl-Marx-Straße kritisch begleitet und diskutiert.
In diesem Jahr steht nun die Neuwahl der Lenkungsgruppe an: Sind Sie im Bereich des Bezirkszentrums Karl-Marx-Straße berufstätig oder wohnen hier? Sind Sie interessiert an einem regelmäßigen Austausch zu den aktuellen Entwicklungen? Oder haben Sie ganz allgemein z. B. als Kunde oder regelmäßige Besucherin der Karl-Marx-Straße ein Interesse daran, die künftige Entwicklung im Zentrum mitzugestalten? Dann können Sie sich zur Wahl aufstellen lassen, um sich als Mitglied in den monatlichen Sitzungen der Lenkungsgruppe einzubringen. Weitere Informationen zum Bewerbungsverfahren und dem Zeitpunkt der Wahl erhalten Sie per Flyer und auf der Website unter:

Baubeginn für die Fahrradstraße Weserstraße
Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand Juli 2021
Umbau Karl-Marx-Straße
Dreh- und Angelpunkt des Umbaus der Karl-Marx-Straße ist seit diesem Jahr der Bereich zwischen Erk- und Flughafenstraße. Die Baumaßnahmen sind hier besonders kompliziert, weil viele unterschiedliche Verkehrsarten mit jeweils hoher Frequenz aufeinandertreffen. Der Umbau wurde im Dezember 2020 auf der Westseite gegenüber der Einmündung der Erkstraße begonnen. Im gesamten Abschnitt muss nach der Tunnelsanierung und der Rückverlegung der Leitungen entlang des westlichen Gehwegs eine provisorische Fahrbahn gebaut werden, um den Durchgangsverkehr in beide Richtungen aufrecht zu erhalten.
Im Februar dieses Jahres ist eine aktualisierte Broschüre zum Umbau der Karl-Marx-Straße erschienen. Diese können Sie sich auch auf der Internetseite des Sanierungsgebiets herunterladen. Jeweils aktuelle Informationen erhalten Sie im monatlichen Newsletter des Sanierungsgebiets und in den Baustellennews.
Der frisch umgebaute Abschnitt zwischen Alfred-Scholz-Platz und Anzengruberstraße, © Bergsee, blau
Umbau Karl-Marx-Straße
Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand Juli 2021
Umbau Karl-Marx-Straße
Dreh- und Angelpunkt des Umbaus der Karl-Marx-Straße ist seit diesem Jahr der Bereich zwischen Erk- und Flughafenstraße. Die Baumaßnahmen sind hier besonders kompliziert, weil viele unterschiedliche Verkehrsarten mit jeweils hoher Frequenz aufeinandertreffen. Der Umbau wurde im Dezember 2020 auf der Westseite gegenüber der Einmündung der Erkstraße begonnen. Im gesamten Abschnitt muss nach der Tunnelsanierung und der Rückverlegung der Leitungen entlang des westlichen Gehwegs eine provisorische Fahrbahn gebaut werden, um den Durchgangsverkehr in beide Richtungen aufrecht zu erhalten.
Im Februar dieses Jahres ist eine aktualisierte Broschüre zum Umbau der Karl-Marx-Straße erschienen. Diese können Sie sich auch auf der Internetseite des Sanierungsgebiets herunterladen. Jeweils aktuelle Informationen erhalten Sie im monatlichen Newsletter des Sanierungsgebiets und in den Baustellennews.
Der frisch umgebaute Abschnitt zwischen Alfred-Scholz-Platz und Anzengruberstraße, © Bergsee, blau
Rixdorfer Bücherschrank auf dem Alfred-Scholz-Platz
Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand Juli 2021
Rixdorfer Bücherschrank auf dem Alfred-Scholz-Platz
Seit Anfang Mai 2021 steht der Rixdorfer Bücherschrank der Initiative „Berliner Büchertisch“ auf dem Alfred-Scholz-Platz. Er lädt alle lesefreudigen Menschen dazu ein, sich hier kostenlos ein Buch zum Lesen mit nach Hause zu nehmen.
Das öffentlich geförderte Kiez-Projekt „Rixdorf liest“ engagiert sich für die Leseförderung und richtet sich generationenübergreifend vor allem an Kinder und Familien der umliegenden Schulen sowie Freizeit- und Senioreneinrichtungen. Die vielfältigen Aktivitäten des Projekts möchten Groß und Klein zum Lesen anregen. Dazu gehören regelmäßige Lesetreffen, ein Familienbrief mit Leseempfehlungen, ein Lesefest im Jahr 2022 – und der Rixdorfer Bücherschrank.
Der Rixdorfer Bücherschrank bietet kostenloses Lesematerial, © Bergsee, blau
Grüne Wohnhöfe
Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand Juli 2021
Grüne Wohnhöfe
Zwischen Wohnumfeldverbesserung und Klimaanpassung
Die Gestaltung und Begrünung von Innenhöfen ist ein festgelegtes vorrangiges Sanierungsziel. Zum einen geht es um die Beseitigung ästhetisch-funktionaler Missstände, womit das Wohnumfeld verbessert werden soll. Zum anderen gewinnen aber auch Ziele der Ökologie und der Klimaanpassung an Bedeutung. Maßnahmen in den Hofbereichen sind zum Beispiel die Beseitigung von Kfz-Parkplätzen, die Neugestaltung von Flächen für Müllstandorte oder die Schaffung und Gestaltung von Fahrradstellplätzen.
Der Hof Kienitzer Straße 8 nach der Umgestaltung ist weitgehend entsiegelt und das Regenwasser kann besser versickern, © Bergsee, blau
Mit Hof-, Dach- und Fassadenbegrünungen wird eine Verbesserung des Mikroklimas für die Anwohnenden erreicht. Besonders in heißen Sommern können Pflanzen in den Wohnhöfen Feuchtigkeit verdunsten und Schatten spenden. Das hat positive Effekte auf die Luftfeuchtigkeit und auf die Temperatur vor Ort und wirkt sich direkt auf die Wohnqualität aus. Die Entsiegelung von gepflasterten Flächen, verbunden mit Regenwasserrückhaltesystemen, führt zudem zu einer Versickerung des Regenwassers auf den jeweiligen Grundstücken. Damit wird das Regenwasser nicht mehr in die Kanalisation abgeführt und entlastet das bei Wetterextremen wie Starkregen überlastete städtische Kanalsystem.
Grundsätzlich liegt die Entscheidung, eine Hofbegrünungsmaßnahme durch-
zuführen, bei den Eigentümerinnen und Eigentümern der Grundstücke. Im Einzelfall können dazu Initiativen der Bewohnerschaft beitragen. Finanziell können im Sanierungsgebiet solche Vorhaben begrenzt unterstützt werden. Dies geschieht dann mit einer individuell vertraglichen Vereinbarung in Form sogenannter Ordnungsmaßnahmemittel. Diese stehen als Ausgleich zur Verfügung, wenn unwirtschaftliche Kosten für die Neugestaltung der Höfe nachgewiesen werden können.
Der Hof Finowstraße 28 ist grün und bietet dennoch vielen Nutzungen Platz © Bergsee, blau
Hofbegrünungen im Rahmen sanierungsrechtlicher Genehmigungen
Der wichtigste Anlass für die Durchführung von Hofbegrünungen im Sanierungsgebiet ist jedoch, wenn dies vom Bezirksamt im Zuge der sanierungsrechtlichen Genehmigung für beantragte Baumaßnahmen auf einem Grundstück eingefordert wird. Besonders die Nachverdichtung auf einem Grundstück, also z. B. Dachgeschossausbau, Aufstockung oder Neubau, ist nur bei qualitativer Aufwertung der Gesamtsituation auf dem Grundstück sanierungsrechtlich genehmigungsfähig. Die Grundlage zur Beurteilung eines Vorhabens sind dabei die vom Bezirksamt Neukölln 2014 beschlossenen „Städtebaulichen Leitlinien zur planungsrechtlichen Beurteilung von Wohnungsbauvorhaben der Nachverdichtung und im Bestand“. Hier wird vorgegeben, welcher Mindestanteil der Flächen auf den Grundstücken für den Naturhaushalt wirksam sein muss – sei es als bepflanzte Fläche, Fläche für die Versickerung oder Verdunstung oder auch als Dach- und Fassadenbegrünung. Dieser Wert wird Biotopflächenfaktor (BFF) genannt und seit 1990 berlinweit als Richtschnur angewendet. Dabei wird die Wirkung bestimmter Vegetations-, Belags- und Begrünungsflächen unterschieden und mit Punkten zwischen 0 und 1 bewertet. Für das Grundstück ist am Ende eine Mindestpunktzahl zu erreichen.
Beispielhafte Darstellung des Biotopflächenfaktors
Quelle: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz
Biotopflächenfaktor: 0,04
Der Großteil der nicht überbauten Fläche ist als Hof- oder Wegefläche voll- oder teilversiegelt. Die Niederschläge werden überwiegend an die Kanalisation abgeführt.
Biotopflächenfaktor: 0,45
Durch Entsiegelungsmaßnahmen wird Raum für weitere Vegetationsflächen geschaffen. Diese dienen zur vollständigen Versickerung der auf den Gebäudedächern anfallenden Niederschläge.
© Dominik Joswig (IASP Berlin)
Positive Effekte für die ansässige Bevölkerung
Im Sanierungsgebiet gilt zudem, dass ein Ziel-BFF nicht nur quantitativ zu erfüllen ist. Es soll dabei auch qualitativ ein größtmöglicher Effekt für die ansässige Bevölkerung erzielt werden. Auch wenn beides wünschenswert ist, sind im Zweifelsfalle Hofentsiegelungen und -begrünungen den Dach- oder Fassadenbegrünungen vorzuziehen. Wo dies möglich und sinnvoll ist, sollten zudem die Müll- und Fahrradabstellflächen in Innenräume des Gebäudes (Parterre oder Keller) verlagert werden. Gestalterische und ökologische Vorgaben sowie Beispiellösungen zur Begrünung von Innenhöfen im Zuge von Stadterneuerungsmaßnahmen sind 2015 vom Stadtentwicklungsamt in der Broschüre „Grüne Oasen in Neukölln“ zusammengestellt worden. In dieser werden für Höfe geeignete Stauden, Sträucher und Bäume aufgelistet, aber auch einzelne Gestaltungselemente wie Kiesgärten, Hochbeete, Gartenteiche oder Dach- und Fassadenbegrünung beschrieben und Rahmenbedingungen für die Anlage von Müllplätzen, Fahrradstellflächen, Sitzecken oder Kinderspielplätzen dargestellt.
Viel Grün trotz wenig Fläche im Hof Karl-Marx-Straße 166, © Bergsee, blau
Das Stadtentwicklungsamt kontrolliert regelmäßig, inwieweit die als Ausgleichmaßnahme geforderten Hofumgestaltungen und -begrünungen durchgeführt wurden und dauerhaft gepflegt werden. Bisher wurden rund 30 Höfe im Sanierungsgebiet begrünt. Auf über 30 weiteren Grundstücken sind Maßnahmen genehmigt worden oder bereits in der Durchführung, an deren Abschluss ebenfalls eine Hofbegrünung stehen wird. Der Prozess schreitet somit kontinuierlich voran.
Alexander Tölle
Planungen für das Kindl Konglomerat
Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand Juli 2021
Planungen für das Kindl Konglomerat
Städtebauliches Werkstattverfahren „Schule findet Stadt“ ist gestartet
Am 14. Juni 2021 startete ein städtebauliches Werkstattverfahren für die ehemaligen Vollguthallen. Im Bereich der bestehenden Halle sind ein (Teil-) Rückbau und eine städtebauliche Neuordnung der Flächen beabsichtigt. Eine zentrale Frage der Planungen ist: Was für Gebäude könnten anstelle der Kartbahn auf dem Kindl-Areal entstehen? Vorgesehen sind eine Schulnutzung sowie Büro, Gewerbe und Kultur. Drei Planungsteams werden bis Ende Oktober 2021 dazu Vorschläge erarbeiten.
Ziel des Werkstattverfahrens
Das betreffende Grundstück liegt auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei zwischen der Rollberg- und der Neckarstraße. Östlich an die Freifläche des Kindl-Hofes grenzen die ehemaligen Brauereikeller, die aufgrund ihrer früheren Nutzung als Vollgut- und Flaschenlager „VOLLGUT“ genannt werden.
Die oberste Ebene des Brauereikellergebäudes auf dem Gelände wird derzeit noch als Kartbahn genutzt. Diese und weitere Flächen des Gebäudes sollen jedoch in den nächsten Jahren neu strukturiert und zum Teil rückgebaut werden. Mit einem Anteil von rund zwei Dritteln der künftigen Flächen (je nach Gesamtvolumen) möchte die Interkulturelle Waldorfschule Berlin mit ca. 400 Schülerinnen und Schülern einen Großteil der zu errichtenden Flächen nutzen. Weitere Nutzungen sollen zu einer guten und lebendigen Mischung beitragen. Dies könnten z. B. innovative Büro-, Gewerbe- und Kulturnutzungen sein.
Im Ergebnis des Werkstattverfahrens sollen „Art und Maß“ der baulichen Nutzung festgelegt werden, die für eine spätere Bebauung verbindlich sind. Das Maß der baulichen Nutzung bezeichnet den Grad der Grundstücksausnutzung, die Art bezeichnet Festlegungen wie gemischte oder gewerbliche Bauflächen. Außerdem sollen Aussagen zur Gestaltung und zur Erschließung der künftigen Gebäude getroffen werden. Der städtebauliche Entwurf soll insgesamt den ökologischen, sozialen und ökonomischen Anforderungen an ein zukunftsfähiges Quartier gerecht werden, das sich gut in die bestehende Nachbarschaft einfügt.
Die Planungen entstehen im Rahmen eines städtebaulichen Werkstattverfahrens, ausgelobt von der Eigentümerin Terra Libra Immobilien GmbH und betreut durch das Büro subsolar* architektur & stadtforschung. Die teilnehmenden Planungsteams werden von fachlichen Expertinnen und Experten unterstützt, u. a. zu den Themen Statik, Ökologie und Beteiligung. Zudem wird das Verfahren von einem Obergutachtergremium begleitet, dessen Mitglieder die Bauherrin bei der Auswahl des besten Entwurfs beraten.
Für das VOLLGUT werden neue Ideen erarbeitet, © Frieder Salm
Die Hinweise der Nachbarschaft und weiteren Interessierten sind gefragt
Das Bezirksamt Neukölln unterstützt das von der privaten Eigentümerin Terra Libra Immobilien GmbH durchgeführte Werkstattverfahren mit einem öffentlichen Beteiligungsprozess. Dieser wird in zwei Stufen durchgeführt.
Nachdem im Mai zum Start des Verfahrens vor allem über eine große Postkartenaktion in der Nachbarschaft bereits erste Hinweise der Anwohnenden und Interessierten gesammelt wurden, findet als zweite Stufe der Information und Beteiligung am 30.08.2021 eine öffentliche Planungswerkstatt statt. Hier können erste konkrete Vorschläge und Entwürfe mit den Beteiligten diskutiert werden. Diese Werkstatt wird ergänzt durch ein Online-Verfahren auf der Berliner Beteiligungsplattform www.mein.berlin.de. Alle Informationen zum Verfahren und zur Planungswerkstatt gibt es unter www.kms-sonne.de/kindl-konglomerat.
Nach dem 30. August fängt die letzte Bearbeitungsphase für die Planungsteams an, in die die unterschiedlich gesammelten Rückmeldungen einfließen werden. Das Werkstattverfahren endet im Oktober 2021. Die am Ende des Verfahrens ausgewählte beste Planungsvariante wird nach Abschluss des Werkstattverfahrens weiter ausgearbeitet, mit der Bauherrin und den zuständigen Behörden abgestimmt und soll dann als „Konglomeratsplan“ zukünftigen Vorhaben zugrunde gelegt werden. Der Plan formuliert die gewünschte städtebauliche Entwicklung des Bereichs; er ist nicht als konkreter Bebauungsvorschlag zu verstehen. Die Ergebnisse sollen jedoch für die bereits konkret geplanten Umbaumaßnahmen der Kellergeschosse Rückschlüsse zulassen. Zudem sollen bestehende und künftige Nutzungsinteressen bestmöglich berücksichtigt werden.
Jule Klandt und Stephanie Otto, raumscript
Der Rohbau des Projekts ALLTAG ist bereits fertig, © Susanne Tessa Müller
Weitere Entwicklungen auf dem Kindl-Gelände: Was passiert beim CRCLR Haus und ALLTAG?
Der Rohbau des Neubauprojekts ALLTAG ist fertig. Momentan wird der Innenausbau intensiv vorangetrieben. Sobald dieser abgeschlossen ist, wird das Haus an die Nutzergruppen übergeben. Dies sind neun soziale bzw. gemeinwohlorientierte Organisationen, welche zusammen eine Nutzergenossenschaft bilden. Gemeinsam verwalten sie das Haus in eigener Verantwortung und nutzen in etwa die Hälfte der Fläche für gemeinwohlorientiertes Gewerbe und die andere Hälfte für betreutes Wohnen durch soziale Träger.
www.trnsfrm.org/project/alltag
Beim Projekt CRCLR stehen die Kreislaufwirtschaft und soziales Unternehmertum im Vordergrund. Das Bestandsgebäude wird umgebaut und soll noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden. Hier befinden sich sowohl verschiedene Werkstätten als auch Co-Working-Flächen für Sozialunternehmen. Anschließend wird mit der Aufstockung auf dem Bestandsgebäude begonnen: ein Holzbau, bei dem auch Lehm und Stroh verwendet wird. Neben weiteren Gewerberäumen werden hier in einem Wohnprojekt Menschen und Gruppen ein Zuhause finden, die sonst marginalisiert werden. Wenn alles läuft wie geplant, sollte die Aufstockung des CRCLR Hauses im Sommer 2022 eröffnet werden können.
www.crclr.org
Claas Fritzsche, raumscript mit Dank an Simon Lee, Mitglied des Vorstands der projektleitenden Genossenschaft TRNSFRM eG
Alt- und Neubau des Berlin Global Village, © Susanne Tessa Müller
Berlin Global Village-Neubau fertig gestellt
Der Neubau des Berlin Global Village ist nach drei Jahren Bautätigkeit im März 2021 fertig gestellt worden. Bereits Anfang März sind dort über 30 entwicklungspolitische und migrantisch-diasporische Nichtregierungsorganisationen eingezogen. Im Neubau gibt es zudem Büros zur Zwischenmiete sowie Veranstaltungsräume. Als Nächstes wird der daneben befindliche Altbau saniert. Dort wird es u. a. eine Veranstaltungsetage, ein „globales Klassenzimmer“ und ein Begegnungscafé geben.
Weiterführende Informationen finden Sie auf:
www.berlin-global-village.de
Planungsendspurt für den Karl-Marx-Platz
Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand Juli 2021
Planungsendspurt für den Karl-Marx-Platz
Wie soll die Neugestaltung aussehen?
Am 24. Oktober 2019 wurden im Rathaus Neukölln die ersten Planungsideen für die Umgestaltung des Karl-Marx-Platzes vorgestellt (siehe auch Artikel im KARLSON VII). Seitdem hat sich Vieles getan.
Aus der Vogelperspektive ist die historische Dreiecksform des Platzes besonders gut zu erkennen, © Frieder Salm
Der Vorlauf
Hauptziel der ersten Planungen war es, die Bedingungen für den Radverkehr auf dem Karl-Marx-Platz zu verbessern. Radfahrende sollten in beiden Richtungen sicher und komfortabel den Platz überqueren können. Hierfür sollte zunächst eine Radspur auf der nördlichen Platzfläche geschaffen werden. Neben diesen Verbesserungen für den Radverkehr sollte die Platzinnenfläche neugestaltet werden, um damit auch dem Marktbetrieb besser gerecht zu werden.
Aus den Rückmeldungen der öffentlichen Veranstaltung im Oktober 2019 wurde der große Wunsch mitgenommen, die „Rixdorfer Schnalle“, also den Übergang vom Karl-Marx-Platz zum Richardplatz, für den Autoverkehr zu schließen. Es wurde zudem angeregt, das bestehende Großsteinpflaster auf der Fahrbahn zu erhalten, aber dennoch für eine bessere Befahrbarkeit zu sorgen. Auch sollte auf Wunsch der Anwohnenden die Aufenthaltsqualität auf dem Platz verbessert werden. Viele neue Aufgaben also, die auch vom Ausschuss für Verkehr, Tiefbau und Ordnung der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln (BVV) bestätigt wurden. Im Oktober 2020 beschloss die BVV die Schließung der „Schnalle“, um den Verkehr auf dem Karl-Marx-Platz zu reduzieren und zu beruhigen. Im Mai 2021 wurde die Entscheidung umgesetzt. Dies hatte ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf die weitere Planung.
Die Rahmenbedingungen
Auf dieser Grundlage wurden weitere Gestaltungsvarianten für den Karl-Marx-Platz entwickelt und die Planung konkretisiert. Dabei war der Rahmen eng gesteckt. Der Karl-Marx-Platz unterliegt zwar nicht dem Denkmalschutz, wird aber als historischer Eingangsbereich nach Rixdorf im Umfeld des Richardplatzes betrachtet. Dies bedeutete für die Planung, dass die charakteristische Dreiecksform des Platzes erhalten bleiben sollte. Das Großsteinpflaster der Fahrbahnen wird ebenfalls als erhaltenswert angesehen. Für die Fahrbahn an der nördlichen Platzseite wurde jedoch eine Umgestaltung mit gesägtem Großsteinpflaster favorisiert, um damit gleichzeitig gute Bedingungen für den Radverkehr zu schaffen.
Die Planungen 2021 mit drei räumlichen Schwerpunkten
Die Planung im Detail
1. Nördliche Fahrbahn und Verkehrsführung
Um die historische Dreiecksform des Platzes zu erhalten, wird – anders als 2019 geplant – auf Gehwegvorstreckungen im Südosten und eine separate Radspur auf der Platzinnenfläche verzichtet. Der Radverkehr wird künftig in beide Richtungen auf der nördlichen Fahrbahn geführt. Für diese Lösung ist allerdings eine bestimmte Fahrbahnbreite notwendig. Deshalb entfallen die Parkplätze an der nördlichen Straßenseite. Zwischen Fahrbahn und Radspur in Richtung Richardplatz wird ein Bord eingebaut, das beide Fahrspuren baulich voneinander trennt. Da durch die Sperrung zum Richardplatz der Durchgangsverkehr am Karl-Marx-Platz entfällt, reduziert sich insgesamt der Kfz-Verkehr auf dem Platz. Beides hat deutlich positive Auswirkungen auf die Sicherheit des Rad- und Fußverkehrs. Durch die Gestaltung der nördlichen Fahrbahn mit gesägtem Großsteinpflaster entsteht eine fahrradfreundliche Oberfläche und der historische Stadtraum bleibt erkennbar. An der östlichen Spitze des Platzes wird ein Rixdorfer Kissen eingebaut und der Verkehr um die Spitze herumgeführt. Auf der südlichen Fahrbahn werden Lieferzonen für die Belieferung der Gewerbetreibenden eingerichtet.
2. Gestaltung der Platzfläche
Der Platz soll künftig ein attraktiver Aufenthaltsraum für die Anwohnenden sein und außerdem dem Marktbetrieb gerecht werden. Als Bodenbelag für den Platz wird deshalb ein widerstandsfähiges Natursteinpflaster verbaut. Die Skulpturengruppe „Imaginäres Theater“ bleibt erhalten und im ehemaligen Wasserbecken wird ein Pflanzbeet angelegt. Am Rand des Platzes entstehen neue Sitzmöglichkeiten und Hochbeete, die neben den Pollern als Abgrenzung zur Straße dienen. Das Regenwasser soll künftig ins Grundwasser versickern – ein wichtiger Beitrag für mehr Klimaschutz. Dafür wird ein unterirdisches Rigolensystem eingebaut und die Baumscheiben werden erneuert. Außerdem wird in diesem Bereich ein Baum neu gepflanzt.
3. Platzspitze
Die Platzspitze wird zugunsten von Aufenthaltsbereichen umgestaltet. Die bestehenden Bäume bleiben erhalten und werden um eine Neupflanzung ergänzt. Die verwilderten Bodendecker und Sträucher werden entfernt, die massive Bank und der verfallene Pflanztrog aus Beton werden abgebaut. Dafür entstehen Aufenthaltsbereiche, neue Baumscheiben und Pflanzkübel. Dieser Bereich wird mit einer versickerungsfähigen Oberfläche aus einem Sand-Kies-Gemisch versehen. Die genaue Ausstattung der Platzspitze war auch Bestandteil der Online-Beteiligung über das Portal mein.berlin.de, die bis bis zum 18. Juli 2021 möglich war. Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Zur Diskussion standen z. B. Sitzbänke, kleinere Spielelemente für Kinder sowie Spieltische.
Die weitere Umsetzung
Aktuelle Informationen zu der neuen Planung für den Karl-Marx-Platz erhielten die Anwohnenden und ansässigen Gewerbetreiben Ende Juni / Anfang Juli 2021 über einen Flyer. Darüber hinaus wurde die Planung auf der Online-Plattform mein.berlin.de vorgestellt und die Planungsideen für die Platzspitze zur Diskussion gestellt. Zusätzlich wurde vor Ort über Plakate informiert. Ins direkte Gespräch mit den Planerinnen und Planern konnte man an einem Infostand auf dem Wochenmarkt kommen. Alle Schritte und Inhalte des bisherigen Planungsprozesses sind auf der Internetseite des Sanierungsgebiets nachzuvollziehen.
Die Anregungen aus der Bevölkerung werden nun geprüft und fließen in die Überarbeitung des Konzeptes ein. Der finale Entwurf wird Ende August bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen eingereicht, um die Finanzierung der geplanten Maßnahmen abzusichern. Die ersten Baumaßnahmen werden dann voraussichtlich im Jahr 2022 beginnen.
David Fritz, BSG mbH und Denise Schröter, Straßen- und Grünflächenamt
Neues entsteht
Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand Juli 2021
Neues entsteht
Die Geschichte der Warenhauskultur in der Karl-Marx-Straße
„Ich habe mal irgendwo eine Karikatur gesehen, das moderne Warenhaus als Ventilator, in dessen weitgeöffneten Rachen groß und klein, alt und jung, Männlein und Weiblein verschwand, dessen Saugkraft alle in sich hineinzog“ (Leo Colze, 1908). Heute ist dies ein kaum noch vorstellbares Bild. Der Konsumtempel mit allen Waren unter einem Dach hat deutschlandweit ausgedient, so scheint es.
Das Warenhaus Hertie prägte für gut ein halbes Jahrhundert die Karl-Marx-Straße; gegenüber sieht man das 1953 errichtete Mode-Kaufhaus C&A (Abbildung um 1970), © Museum Neukölln
An der Karl-Marx-Straße begann der Niedergang der Warenhäuser schon ab 2005, als das Kaufhaus Hertie und das Modehaus SinnLeffers ihre Pforten schlossen. 2012 war auch im C&A an der Ecke Anzengruberstraße Ausverkauf. Die Immobilien und Standorte sind in den Neuköllner Sanierungszielen weiterhin als wichtige Standorte, als „Schlüsselimmobilien“, gekennzeichnet. Was hier entsteht, wird sich unmittelbar auf die Qualität des Zentrums Karl-Marx-Straße auswirken und muss deshalb besonders sorgfältig betrachtet werden. Der Blick zurück macht deutlich, dass der Drang zur Veränderung charakteristisch für die Entwicklung der Warenhauskultur war und ist. Dies gilt heute umso mehr, weil sich Ansprüche und Möglichkeiten des Konsums unter anderem durch den Online-Handel in den letzten Jahren grundlegend wandeln.
Die Faszination der neuen Warenwelt nach 1900
Leo Colze beschreibt in seinem Buch „Berliner Warenhäuser“ eindrücklich die Faszination für weite Teile der Bevölkerung, die Anfang des letzten Jahrhunderts von den neuen Warenhauspalästen ausging. Seiner Analyse nach hatten die Warenhäuser erheblichen Einfluss auf die Entwicklung Berlins zu einer Weltmetropole und auch für die Kultur der Geschäfte insgesamt. „Überall da, wo Warenhauspaläste entstanden, begann sich bald in naturgemäßer Folge ein überaus reger Verkehr zu entwickeln. In weiser Erkenntnis dieses zunehmenden Geschäftsverkehrs siedelten sich … Spezialgeschäfte der verschiedensten Branchen an, ihre Fassaden modern ausbauend, in Form und Inhalt das Beste vom Warenhause auf ihren Betrieb übertragend.“ Das war 1908. Die Welle der Warenhauskultur war über Paris und London nach Berlin geschwappt und revolutionierte das bisherige Einkaufsverhalten. Die internationalen Waren konnten von jedem und jeder über Einkommens- und Bildungsschichten hinweg sowie ohne Kaufzwang angeschaut und erworben werden. Kunde und Kundin wurden zum König, egal aus welcher Schicht sie stammten. Ratenkauf und Umtauschrecht ließen Träume wahr werden.
In der großen Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre ging es für die Warenhäuser wirtschaftlich erstmals bergab. Der Zweite Weltkrieg tat sein Übriges. Zu wirklich goldenen Jahre der Warenhäuser wurden die späten 1950er Jahre. Nach den Entbehrungen der Nachkriegszeit gab es einen großen Konsum-Nachholbedarf. Sinnbildlich für das Wirtschaftswunder der Bundesrepublik, das breite Teile der Bevölkerung erreicht hatte, stand die riesige Auswahl der bunten Warenwelt der Warenhäuser.
Das bunte Warensortiment im Kaufhaus „H. Joseph & Co.“, um 1930, © Museum Neukölln
Das Kaufhaus H. Joseph & Co.
(nachfolgend Hertie, Karl-Marx-Strasse 92)
Nach 1900 gründeten die jüdischen Kaufleute Hermann Joseph und Sally Rehfisch das Neuköllner Kaufhaus H. Joseph & Co. in den Räumen des ehemaligen „Varieté Cafés Germania“ und bauten es zunächst zu einem Mode-Warenhaus aus. Schnell wurde das Haus zum größten Kaufhaus Neuköllns – bis mit dem Bau von Karstadt am Hermannplatz ein neuer Warenhaustempel in Neukölln entstand. Nach der letzten Erweiterung 1928 nahm die neue und prächtige Jugendstilfassade die gesamte Straßenfront zwischen Neckar- und Jägerstraße (heute Rollbergstraße) ein. Hinter dem Haupteingang erstreckte sich ein großer Innenhof mit einem breiten, zentralen Treppenhaus unter einer Glaskuppel. Jenseits des vielfältigen Warenangebots wurde das Publikum mit kulturellen Veranstaltungen ins Haus gelockt.
Das Ende kam für die Geschäftsleute mit dem Nationalsozialismus. Ohne Entschädigung an die Eigentümer übernahm die Max Friedland GmbH 1936 das Grundstück. Im Krieg wurde das Gebäude weitgehend verschont. 1950 erhielten Hermann Joseph und die Erben seines Geschäftspartners ihren Besitz zurück und für zwei Jahre wurde hier das „Kaufhaus Neukölln“ eingerichtet. Die Morgenpost berichtete am 11. März 1950: „Der Straßenverkehr in der Karl-Marx-Straße war gestern kurz vor 15 Uhr gefährdet. So stark ballte sich eine tausendköpfige Menschenmenge vor der geräumigen Einkaufshalle des neuen Kaufhauses Neukölln (…). In weniger als sechs Wochen Umbauzeit entstand aus dem alten Hermann-Joseph-Haus, das dem Bezirksamt vorübergehend als kommunales Lebensmittellager gedient hatte, das zur Zeit größte Warenhaus Berlins mit 30 Schaufenstern, 8 Fahrstühlen und zwei Rolltreppen.“
1952 übernahm die Firma Hertie den Standort. Fünfzehn Jahre später brach auch architektonisch eine neue Zeit an und ein großer Umbau wurde beendet. Von der Jugendstilfassade war nichts mehr zu erkennen. Die Berliner Morgenpost schrieb im November 1967 unter dem Titel „Schlaraffenland mit Selbstbedienung“: „Aus alt mach neu im Berliner Tempo – Hertie Neukölln zeigt es seit Februar der staunenden Menge. Zuerst wurde das Kaufhaus in der Karl-Marx-Straße regelrecht ‚halbiert‘. In der einen Hälfte ging der Verkauf munter weiter, in der anderen wütete die Spitzhacke. Kaum war das letzte Stück Altbau beseitigt, rückten die Handwerker an. (…) Das Erdgeschoß mit 20 Abteilungen sowie das Tiefgeschoß sind fertig; strahlend hell, vollklimatisiert und durch einen Eingang mit Luftschleuse zu erreichen.“ 1968 erfolgte der Abriss von vier Wohnhäusern in der Rollbergstraße, um das Kaufhaus nochmals, vor allem durch ein Parkhaus für 700 Autos, zu erweitern. Zu diesem Zeitpunkt bot es eine Nutzfläche von 30.000 Quadratmetern und war damit das größte aller Berliner Hertie-Häuser.
1983 investierte der Hertie-Konzern nochmals 12 Millionen Mark in eine erneute Modernisierung des Hauses. Zu diesem Zeitpunkt waren hier rund 1.000 Mitarbeitende beschäftigt. Im Dezember 2005 schloss das traditionsreiche Haus. Cornelia Hüge schreibt in ihrem Buch „Die Karl-Marx-Straße, Facetten eines Lebens- und Arbeitsraums“: „Der Außenraum wirkte bald nur noch wie ein tristes Betonmonument, das den Niedergang im Neuköllner Stadtzentrum symbolisierte.“ Von 2008 bis 2010 entstand nach umfassenden Umbaumaßnahmen das heutige Büro- und Geschäftshaus, das als ein erstes Zeichen des neuen Aufbruchs in der Karl-Marx-Straße gedeutet werden kann.
Hauptfront des Kaufhauses „H. Joseph & Co. in der Berliner Straße (Karl-Marx-Straße), 1928 (fototechnisch historisch bearbeitete Aufnahme), © Museum Neukölln
C&A, Quelle, SinnLeffers –
Die Standorte Karl-Marx-Straße 95 und 101
Das Modekaufhaus C&A zog in das eigens errichtete Gebäude an der Ecke Anzengruberstraße. Beim Baubeginn im April 1953 mussten erst einmal 3000 Kubikmeter Trümmer entfernt und 130 Kubikmeter Stahlbeton von alten Tresorwänden des ehemaligen Bankgebäudes ausgegraben werden. Bei der Eröffnung im September 1953 strömten die Berliner zu Tausenden in die Verkaufsräume. Bürgermeister Reuter beglückwünschte in einem Telegramm den Neubau in Neukölln „als ein weiteres Zeichen für das Vertrauen, das die Firma der wirtschaftlichen Entwicklung Berlins entgegenbringe“ (Berliner Morgenpost, 25.9.1953). Bereits in den späten 1970er Jahren entstand an dieser Stelle wiederum ein Neubau, 1990 wurde dieses Gebäude dann noch einmal umfassend erneuert. Nach der Schließung der C&A-Filiale an diesem Standort wurde das Haus ab 2015 vorübergehend als Unterkunft für Geflüchtete genutzt. Für das zwischenzeitlich wieder leerstehende Gebäude gibt es derzeit neue Perspektiven.
Zur Eröffnung des Quelle-Kaufhauses an der Karl-Marx-Straße 101 im Jahr 1971 strömten wiederum Tausende in die Geschäftsstraße. Die Zeitung berichtete: „Hätten nicht Polizei und BVG schnell geschaltet, wäre gestern in Neukölln der Verkehr zum Erliegen gekommen.“ 1.500 Kauflustige drängten sich vor dem Gebäude, Busse und U-Bahnen machten Sonderfahrten, um den Andrang zu bewältigen.
Quelle trennte sich 1993 bundesweit von 14 ihrer 20 Warenhäuser. Getätigte Millioneninvestitionen hatten sich nicht gelohnt, das Publikumsinteresse war nicht so groß wie erhofft. Davon auch betroffen war das Haus in der Karl-Marx-Straße, das aber von dem konzerneigenen Modehaus SinnLeffers übernommen wurde. Nach dessen Räumung 2006 nutzte das „Karstadt-Schnäppchencenter“ die Flächen. Nun wird wieder umgebaut. Unter dem Namen „Kalle Neukölln“ wird neues Leben an den Standort ziehen (www.kalle-neukoelln.com).
Großer Andrang zur Eröffnung des Quelle-Kaufhauses 1971, © Museum Neukölln
Neue Konzepte für ein lebendiges Zentrum
Der Mythos des klassischen Warenhauses, den manche noch sehnsüchtig beschwören, scheint nicht mehr zurückzukehren. „Alles unter einem Dach“ funktioniert nicht mehr, wo die Lebensstile und Produktpaletten immer individueller werden. Bereits seit den 1970er Jahre waren in den meisten Häusern die Umsätze gesunken. Der wachsende Online-Handel und die Corona-Pandemie geben den Kaufhäusern ohne Neuerfindung der Konzepte den Rest. 2020 gab der Konzern „Galeria Karstadt Kaufhof“ bekannt, deutschlandweit 50 seiner 171 Standorte schließen zu wollen. Eine traurige Entwicklung für viele innerstädtischen Geschäftsstraßen. Es braucht neue Ideen für die zum Teil großen leerstehenden Immobilien. Zum Erfolg neuer Nutzungen und Umbauten wird es wichtig sein, die Lebenswelten der Nachbarschaft in den Geschäftskonzepten zu berücksichtigen. Die Karl-Marx-Straße ist auch dank der Förderung durch das Sanierungsgebiet auf dem Weg.
Stephanie Otto
Ansprechpartner
Bezirksamt Neukölln
Stadtentwicklungsamt
Fachbereich Stadtplanung
Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
Tel.: 030 – 90 239 2153
stadtplanung(at)bezirksamt-neukoelln.de
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen IV C 32
Anke Heutling
Württembergische Straße 6-7, 10707 Berlin
Tel.: 030 – 90 173 4914
anke.heutling(at)senstadt.berlin.de
BSG Brandenburgische
Stadterneuerungsgesellschaft mbH
Sanierungsbeauftragte des Landes Berlin
Karl-Marx-Straße 117 , 12043 Berlin
Tel.: 030 – 685 987 71
kms(at)bsgmbh.com
Lenkungsgruppe
der [Aktion! Karl-Marx-Straße]
lenkungsgruppe(at)aktion-kms.de
Citymanagement
der [Aktion! Karl-Marx-Straße]
Richardstraße 5, 12043 Berlin
Tel.: 030 – 22 197 293
cm(at)aktion-kms.de