Die 16. Ausgabe ist dem Thema „Begegnungen“ gewidmet und hebt die Bedeutung von Orten hervor, an denen Menschen in ihrer Vielfalt zusammenkommen können. Denn ein funktionierendes Zentrum ist mehr als nur ein wichtiger Imagefaktor für den Bezirk. Es soll auch ein Ort des Austauschs sein – unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung sowie sozialer und religiöser Zugehörigkeit. Im Zuge dessen werden Orte rund um die Karl-Marx-Straße vorgestellt, an denen Gemeinschaft erlebbar wird: im öffentlichen Raum, in öffentlichen Einrichtungen, in Vereinen ebenso wie in Lokalen. Sie alle bergen das Potenzial, eine gesellschaftsverbindende Rolle einzunehmen, was gerade in der heutigen Zeit von immer größerer Bedeutung ist.

Stand August 2025

Sich selbst und anderen begegnen

Wo begegnen sich Kinder und Jugendliche, unabhängig von Religion, Geschlecht, Herkunft und sozialer Zugehörigkeit? Wo sozialisieren sie sich? Neben Schulen übernehmen diese Rolle vor allem Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit. Im Zentrum Karl-Marx-Straße können junge Menschen diese im Blueberry und dem Rahim-Yildirim-Haus in Anspruch nehmen. 

Der gemeinnützige Träger Outreach bietet in der Reuterstraße 9–10 bereits seit 2007 offene Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendsozialarbeit an. Während das neu eröffnete Blueberry allen Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren offensteht, heißt das Nachbargebäude Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren willkommen. Mit dem Neubau des Blueberry und der Erweiterung der Außenanlagen im Jahr 2024 konnte der hohe Bedarf an Jugend- und Sozialeinrichtungen im Kiez zumindest teilweise gedeckt werden. 

Die offene Kinder- und Jugendarbeit versteht sich als ein freiwilliges Angebot für junge Menschen, das von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet wird. Das Ziel ist es, sie zur Selbstbestimmung zu befähigen. Außerdem sollen sie zur gesellschaftlichen Mitverantwortung motiviert werden. So wird in beiden Einrichtungen in der Reuterstraße in monatlich stattfindenden Vollversammlungen gemeinschaftlich über das Wochenprogramm und die Anschaffungen abgestimmt. Auch die Hausregeln wurden zu Beginn gemeinsam von den Kindern und Jugendlichen festgelegt. 

Blueberry

Das neu gebaute Blueberry während der Eröffnungsfeier

Sozialarbeiter Jens Schielmann sieht in den Kindern also gewissermaßen seine Auftraggebenden. Darüber hinaus definiert er seine Arbeit als beziehungspädagogisch. Das bedeutet, dass es darum geht, Vertrauen zu den einzelnen Kindern aufzubauen, ihre Problemlagen zu erkennen und ihre Talente zu fördern. Bei dem großen Andrang an Kindern ist es oft jedoch nicht leicht, Zeit zu finden, um auf jedes der Kinder im Einzelnen einzugehen, da man ständig mit den akuten Bedürfnissen der vielen Besucher*innen vor Ort konfrontiert ist. 

Zusätzlich zur offenen Kinder- und Jugendarbeit wird sowohl im Blueberry als auch im Rahim-Yildirim-Haus eine bedarfsorientierte Unterstützung angeboten. Im Blueberry wird das in Kooperation mit der Helene-Nathan-Bi­bliothek umgesetzt. Das Lerncoaching unterstützt die Kinder bei Schulaufgaben, bei Prüfungsvorbereitungen oder auch bei der Praktikumssuche. Im Jugendhaus hingegen wird das Angebot von Outreach in Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen umgesetzt, denn hier finden neben offener Jugendarbeit auch Angebote der Jugendsozialarbeit statt. Diese unterscheidet sich von der offenen Jugendarbeit dahingehend, dass sie zu gezielten Themen und Zeiten Angebote für Jugendliche bereitstellt, die einen erhöhten Förderbedarf haben. Dies kann unter anderem Gewaltprävention beinhalten, aber auch Unterstützung bei Bewerbungen oder der Berufsorientierung – beispielsweise in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit oder dem Jobcenter.

Blueberry

Im Blueberry wird regelmäßig gemeinsam gekocht und gegessen (Foto: Jens Schielmann)

Den wichtigsten Aspekt seines gesellschaftlichen Auftrags sieht Jens Schielmann jedoch darin, dass sich die Kinder und Jugendlichen stets wertgeschätzt fühlen und mit ihnen auf Augenhöhe kommuniziert wird. Damit stellt die Jugend(sozial)arbeit auch einen klaren Gegensatz zur stark hierarchisch strukturierten Schule dar. Durch das Vertrauen, das Sozialarbeitende im Laufe der Zeit aufbauen, stellen sie schließlich auch wichtige Vertrauenspersonen für junge Menschen dar, mit denen sie ihre Anliegen und Sorgen teilen können, die sie sich in der Schule oder zu Hause nicht anzusprechen trauen. Meist sind dies Themen wie die erste Liebe, die erste Regelblutung oder Stress in der Familie beziehungsweise der Schule. Darüber hinaus sind die Pädagog*innen auch darin geschult, tiefgreifendere Probleme wie Missbrauch zu erkennen.

Blueberry

Musikalischer Auftritt während des 23-Nisan-Kinderfestes („23 Nisan“ steht für den 23. April und wird in der Türkei als bedeutsamer Kindertag gefeiert, Foto: Nele Hecht)

Die standortgebundene Kinder- und Jugendarbeit, wie sie im Blueberry und dem „Rahim-Haus“ angeboten wird, leistet neben der Schule und der Familie also einen wesentlichen Beitrag zum sozialen Austausch junger Menschen. Im Idealfall gelingt es ihr, soziale Barrieren abzubauen und jungen Erwachsenen abseits von ihren sozialen Hintergründen ein Gefühl von Teilhabe, Zugehörigkeit und so­zialem Miteinander zu geben. Hier können sie, unabhängig von ihrer Erziehung, für sich herausfinden, was es für sie bedeutet, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Durch die frühe Vermittlung eines Demokratieverständnisses lernen sie, aufeinander Acht zu geben und respektvoll miteinander umzugehen. Fest steht: Hier sind junge Menschen in ihrer Vielfalt nicht nur willkommen, sondern auch eingeladen, sich gegenseitig sowie sich selbst (neu) zu begegnen.

Carolina Crijns, raumscript