Die 16. Ausgabe ist dem Thema „Begegnungen“ gewidmet und hebt die Bedeutung von Orten hervor, an denen Menschen in ihrer Vielfalt zusammenkommen können. Denn ein funktionierendes Zentrum ist mehr als nur ein wichtiger Imagefaktor für den Bezirk. Es soll auch ein Ort des Austauschs sein – unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung sowie sozialer und religiöser Zugehörigkeit. Im Zuge dessen werden Orte rund um die Karl-Marx-Straße vorgestellt, an denen Gemeinschaft erlebbar wird: im öffentlichen Raum, in öffentlichen Einrichtungen, in Vereinen ebenso wie in Lokalen. Sie alle bergen das Potenzial, eine gesellschaftsverbindende Rolle einzunehmen, was gerade in der heutigen Zeit von immer größerer Bedeutung ist.

Stand August 2025

Am Puls der Straße

Ob Café, Restaurant, Späti oder Hochschule – all diese Orte prägen das Leben auf der Karl-Marx-Straße entscheidend mit. Was sie gemeinsam haben? Auch sie sind Räume der Begegnung. Hier kommen Menschen ins Gespräch – mal spontan, mal ganz bewusst. Jenseits bekannter Treffpunkte im öffentlichen Raum sind diese Einrichtungen ebenfalls wichtige soziale Anker im Kiez. Sie stiften Identität, beleben den Stadtraum und tragen dazu bei, dass das Zentrum Karl-Marx-Straße vielfältig, offen und lebendig bleibt.

Anzen Späti

Anzengruberstraße 24
Instagram: @anzenspaeti24

Anzen Späti

Foto: Carolina Crijns

Sei es, um ein Paket abzuholen, ein schnelles Wegbier zu kaufen oder doch auf ein gemütliches Feierabendgetränk zu verweilen – der Berliner Späti ist eine der wenigen Institutionen, die von Menschen aller gesellschaftlichen Hintergründe besucht werden. Zwar gibt es mittlerweile viele Spätis, die austauschbar erscheinen, doch so manch einer hat sich zu einem bereichernden Begegnungsort etabliert. So auch der Anzen Späti, der neben seiner Laufkundschaft auch viele Stammkund*innen zählt.

Das liegt einerseits daran, dass der Laden bereits seit mehr als 25 Jahren besteht. Damals handelte es sich noch um einen herkömmlichen Tabakladen, der seltene Tabakwaren und Zeitungen verkaufte. Sowohl das Graffiti an der Wand als auch das Foto im Schaufenster erinnern an die ehemalige Besitzerin Ul. Im März 2022 hat Mustafa Uyar das Geschäft übernommen, die Zeitungen durch Getränke ersetzt und so den Anzen Späti daraus gemacht. Die seltenen Tabakwaren blieben im Sortiment. Nun treffen hier Pfeifenrauchende auf Neuzugezogene.

Anzen Späti

Foto: Florentine Kwast

Doch die vielen Kund*innen kommen nicht nur wegen des Sortiments hierher. Die Nachbar*innen grüßen im Vorbeigehen und bringen selbst gekochtes Essen vorbei. Mustafa hilft ihnen beim Einladen der Autos und beim Tragen der Einkaufstaschen. Die BSR-Mitarbeitenden und Gärtner*innen bekommen jedes Mal, wenn sie vor Ort im Dienst sind, eine Wasserflasche geschenkt. „Hast du die Blumen hier gepflanzt?“, fragt der Gärtner, der den städ­tischen Baum vor der Tür gießt. „Na klar!“, entgegnet der Besitzer des Anzen Späti. Schnell wird klar: Mustafa ist es nicht nur wichtig, dass sich alle hier wohlfühlen. Er hat auch wesentlich dazu beigetragen, dass sich der Späti zu einem Kiez-Treff etabliert hat. 

Dass sich Neukölln im Wandel befindet, fällt auch Mustafa auf. Innerhalb der letzten zwei Jahre hat sich im Gebiet sehr viel getan: Die Berlin School of Business and Innovation, SNIPES, das CANK und das KALLE Neukölln sind nur einige der Neueröffnungen der letzten Jahre. Davon profitiert auch der Anzen Späti, denn das bringt mehr Kundschaft. Eine der Dozentinnen der neuen Hochschule hat hier sogar ihre Abschiedsfeier gefeiert. Wenn im CANK eine Veranstaltung stattfindet, kommen viele der Gäste zum Anzen Späti, weil die Getränke hier billiger sind.

Neben dem regulären Späti-Betrieb hat hier außerdem bereits die eine oder andere Party, in Kooperation mit verschiedenen DJ-Kollektiven und Getränkeanbieter*innen (wie dem „Massage-Öl“-Bier oder Bier von Neulich), stattgefunden. Momentan wird nach einer Lösung gesucht, um solche Veranstaltungen häufiger durchführen zu können. Das wäre besonders zur Überbrückung der Wintermonate hilfreich. Kooperiert wird auch mit der Honey Lou Bar von gegenüber, die ihre selbst gemachte Dattelschorle im Anzen Späti zum Verkauf anbietet. Als einer der Barbetreiber vorbeikommt, um Hallo zu sagen, frage ich ihn, was diesen Späti so besonders macht. Ganz klar: „Die Community!“

Carolina Crijns, raumscript

La Grappa

Karl-Marx-Straße 83 A
Instagram: @lagrappa.neukoelln

La Grappa

Foto: Carolina Crijns

Bereits seit 40 Jahren bereiten die beiden Brüder Francesco und Andrea Smiroldo, gemeinsam mit Katherina, der Frau von Francesco, sizilianische Köstlichkeiten in Neukölln zu. Von 1984 bis 2000 betrieben sie das italienische Restaurant „La Grappa“ direkt gegenüber in der Erkstraße. Seit dem Jahr 2000 sind sie mit dem Pavillon-Café am Rathausplatz unter gleichem Namen verortet. Sie kennen Neukölln also besonders gut und haben hautnah miterlebt, wie sich der Bezirk im Laufe der Zeit verändert hat. Ende der 90er Jahre war hier beispielsweise ständig die Polizei vor Ort präsent. 

Inzwischen haben sich die Umstände aber geregelt und der Rathausplatz ist, nicht zuletzt dank der Betreiber des La Grappa, zu einem Begegnungsort geworden, an dem man sich gerne aufhält. Francesco Smiroldo bezeichnet das, was sie hier am Platz leisten, als „Integrationsarbeit“ – sie bringen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Einkommensklassen zusammen und sorgen dafür, dass sich hier alle wohl, sicher und willkommen fühlen. Außerdem verschönern sie den Platz, indem sie die Wiesenfläche beim Brunnen düngen und ihre eigenen Blumen aufstellen. 

Alle, die hier schon einmal verweilt haben, wissen: Auf der Terrasse des La Grappa fühlt man sich nicht nur wohl, sondern auch wie im Urlaub. Der Kaffee hat absolute Barista-Qualität und schmeckt zum hausgemachten Mandelgebäck besonders gut. Geöffnet hat das La Grappa bei Schönwetter und zwischen März und November. Aktuell finden Gespräche statt, um die Saison durch den Ausbau eines Wintergartens bis Dezember zu verlängern. Während der Wintersaison stellt die Familie Smiroldo das handgemachte Mandelgebäck übrigens für ausgewählte Geschäfte wie das KaDeWe oder das Café Einstein her. Bis dahin ist glücklicherweise jedoch noch genügend Zeit, um den Sommer am Rathausplatz zu genießen – beispielsweise mit einem Pani Cunzatu, einem typisch sizilianischen belegten Brot, oder einer Granita, einer sorbetähnlichen Süßspeise, mit Brioche. La buona vita!

Carolina Crijns, raumscript

FlyBykes

Donaustraße 40
www.flybykes.de

Frames Café

Anzegruberstraße 21
Instagram: @frames.berlin

Flybikes

Foto: Marius Peix

Ein leerstehender Supermarkt, ein paar gute Ideen und jede Menge Eigeninitiative: Vor rund zweieinhalb Jahren hat Öz an der Ecke Donau-/Anzengruberstraße einen Ort geschaffen, der heute weit mehr ist als ein klassischer Fahrradladen. Schon lange träumte er davon, einen Raum zu gestalten, der Werkstatt, Café und Veranstaltungsfläche miteinander verbindet. Mit FlyBykes hat er diese Idee Wirklichkeit werden lassen. Seine Erfahrung aus der Veranstaltungsbranche, in der er früher Festivals organisierte, prägt die Atmosphäre des Ortes. Das angrenzende Café namens Frames wird von seinem Partner Matthijs betrieben. Inzwischen hat sich der Ort als Treffpunkt für die Nachbarschaft mit Strahlkraft über die Umgebung hinaus etabliert. 

Die Werkstatt und das Café sind durch einen offenen Durchgang miteinander verbunden. In der Mitte steht ein großer Holztisch, der tagsüber zum Coworking einlädt. Am Abend wird der Raum zur Bühne für Konzerte, Lesungen oder Tanz. Die Einrichtung trägt Spuren ihrer Geschichte – rohe Wände, alte Bodenfliesen, selbst ausgebaut im Industrial-Stil. 

Frames Café

Foto: Marius Peix

Das Herzstück ist die Werkstatt. Durch ihre transparente Gestaltung erinnert sie an eine offene Küche in einem Restaurant. FlyBykes ist auf Lastenräder spezialisiert, bietet auf Wunsch aber auch alle anderen Fahrradtypen an. Künftig sollen ausgewählte Modelle direkt vor Ort ausgestellt werden, inklusive der Möglichkeit zur Probefahrt. Die Werkstatt wird zudem räumlich erweitert und erhält zusätzliche Selbstbedienungswände, an denen Kund*innen Fahrradzubehör entdecken und erwerben können. Zwei Mitarbeitende kümmern sich um Reparaturen, Ersatzteile und Beratung, während im Café Flat Whites, Limos und Kuchen serviert werden. Seit Kurzem gibt es auch eine kleine Außenterrasse, die das Angebot um einen sonnigen Treffpunkt im Freien ergänzt. 

Die kulturellen Veranstaltungen, zu denen Singer-Songwriter-Sessions, Tanzperformances, Quiznächte und Flohmärkte gehören, zeugen von der großen Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten. Trotz dieser aus dem Kiez gewachsenen Mischung, bleibt der Charakter des Ortes erhalten. Die ungewöhnliche Verbindung von Fahrradladen und Café zeigt, wie aus einem lange ungenutzten Raum ein lebendiger, vielschichtiger Ort der Begegnung werden kann. 

Marius Peix, Citymanagement

CODE University of Applied Sciences

Donaustraße 44
www.code.berlin
Instagram: @codeuniversity

Code University

Foto: CODE University

Mit rund 500 Studierenden aus 80 Ländern ist die CODE University ein Ort der interkulturellen Begegnung. Diese Offenheit spiegelt sich auch in den neuen Räumlichkeiten wider. Im August 2024 hat die englischsprachige private Hochschule ihren Standort im frisch eröffneten KALLE Neukölln bezogen. Über mehrere Etagen verteilen sich die Räume rund um ein Atrium – ein Ort zum Lernen, Arbeiten, Kollaborieren und Begegnen.

Code University

Foto: CODE University

Die Innenräume entstanden in enger Zusammenarbeit mit den Studierenden und strahlen den Charakter moderner Tech-Unternehmen aus: offene Raumstrukturen, gemütliche Sitzmöbel und flexible Arbeitsbereiche. Die Seminar- und Projekträume, die durch Glaswände oder Schallschutzvorhänge voneinander abgetrennt sind, tragen von den Studierenden vergebene Namen wie „Jungle“, „Dark Matter“, „Hans Zimmer“ und „Muted“ – und vermitteln so bereits im Namen ein kreatives und inspirierendes Arbeitsumfeld. In verschiedenen Ecken bieten Spielbereiche, etwa mit Schachbrettern oder einem Tischkicker, Gelegenheit für eine kurze Auszeit. Eine große, offene Teeküche direkt neben einer weitläufigen Terrasse dient als Treffpunkt für Studierende und Lehrende – ein weiterer Baustein für das begegnungsorientierte Klima der Hochschule.

Code University

Foto: CODE University

An der CODE University stehen projektbasiertes Lernen und ein starkes unternehmerisches Netzwerk im Mittelpunkt. In drei Bachelorstudiengängen „Software Engineering“, „Business Management & Entrepreneurship“ und „Digital Design & Innovation“ werden die Studierenden von Anfang an dazu motiviert, praxisorientiert zu lernen und einen Unternehmergeist zu entfalten. Rund 14 Prozent der CODE-Studierenden und -Alumni haben bereits erfolgreich eigene Startups gegründet, berichtet Peter Ruppel, Präsident der Hochschule. Ab dem Herbstsemester 2025/26 wird zudem der Masterstudiengang „Technology & Management“ angeboten.

Code University

Foto: CODE University

Die CODE University zeigt sich nicht nur nach innen, sondern auch nach außen offen und neugierig. In ihren Projekten setzen sich die Studierenden mit lokalen Themen auseinander, wie etwa dem Umgang mit Straßenmüll. Eine Gruppe entwickelte das Spiel „Neuköllnopoly“, um kreative Lösungen für verschiedene Herausforderungen und Anliegen der Neuköllner*innen zu finden. Ob solche Ideen in die Praxis umgesetzt werden, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Eines ist jedoch sicher: Die CODE University macht Neukölln innovativer und lebendiger.

Saba Khanghahi, BSG