Die 14. Ausgabe des BROADWAY steht unter dem Titel „Was wir können“. Die Beiträge zeigen exemplarisch, wie lebendige Angebote auch entgegen der aktuellen Krisen durch gemeinsames Wirken entstehen und erhalten werden können. Wir sprechen mit Gewerbetreibenden, Kulturschaffenden und sozial Engagierten entlang der Karl-Marx-Straße, widmen uns dem Thema der Müllvermeidung, geben einen Einblick in die gemeinwohlorientierte Gesundheitsversorgung und zeigen, wie sich ein inklusives Zusammenleben im Zentrum gestalten und von Vielfalt bereichern lässt.

Stand Juli 2023

Energiegeladen

Der Besuch in SchneidersLaden ist eine Zeitreise. Sie beginnt schon beim ersten Blick auf die Fassade und in die Schaufenster der Karl-Marx-Straße 186. An der Ecke der markante Schriftzug BADING, im rechten Schaufenster der Thomasstraße viele Erinnerungen an die bewegte Geschichte des Musikhauses Bading; im linken ein schicker modularer Synthesizer, der stellvertretend für das neue Kapitel des Musikfachgeschäfts an diesem traditionsreichen Standort steht.

In das ehemalige Musikhaus Bading ist wieder Musik eingezogen – anders, elektronisch und trotzdem mit Gespür für die Geschichte des Hauses. So erzählt Andreas Schneider, Inhaber und Geschäftsführer von SchneidersLaden, dass er schon vor 15 Jahren von einer Übernahme einiger Räume in diesem Geschäft geträumt und sich seither ins Gespräch mit den Inhaberinnen begeben hat. Er hatte sich in dieses Gebäude „verguckt“. Doch zunächst ohne Erfolg.

Den ursprünglichen SchneidersLaden findet man seit 2009 und bis heute direkt am Kottbusser Tor. Eher versteckt, aber eine feste Adresse vor allem für Berlins ausgeprägte Technoszene. Als für die Lagerräume in der Ritterstraße ein neuer Standort benötigt wurde, wurde die Entscheidung drängender, hier in der Karl-Marx-Straße, das leerstehende Geschäft mit dem Handel und Vertrieb elektronischer Musik neu zu beleben und dafür entsprechend zu renovieren sowie auszubauen. Schließlich wurden sich Eigentümerin und Andreas Schneider einig. Die Eröffnungsfeier war im Januar 2023. Der Schauraum in Kreuzberg besteht weiterhin, doch Andreas Schneider möchte nach und nach alle Teile seines Geschäfts nach Neukölln und vor allem ins ehemalige Musik-Bading holen. Der Ausbau der Flächen im Haus läuft parallel zum Geschäftsbetrieb.

Andreas Schneider

Geschäftsinhaber Andreas Schneider möchte die erfolgreiche Geschichte des BADING mit dem Verkauf elektronischer Instrumente und Module fortsetzen (Fotos: Susanne Tessa Müller)

Wer nichts von elektronischer Musik versteht, bekommt es sehr einfach erklärt: Hier wird Musik mit Strom gemacht – mal mit mehr, mal mit weniger Spannung und unterschiedlichsten Hilfsmitteln wie zum Beispiel Oszillatoren. Es gibt weltweit unzählige Bastler, die Klänge und Module produzieren, die in den Synthesizern individuell zusammengestellt werden. SchneidersLaden verkauft Konfektionsware in Komponentensystemen – und hält dazu intensiven Kontakt zu Kleinstherstellern in aller Welt. Herrn Schneider ist es wichtig, diese kleinen Produzenten zu fördern und kaufmännisch zu unterstützen. Und trotz aller Technik bleibt es sehr analog; Computersysteme sucht man hier vergebens. Diese benötigt man zur Steuerung der Musik ganz am Schluss. Zum Komponieren der Töne und zum Austausch der Musikerinnen und Musiker untereinander sind sie nach Meinung von Herrn Schneider aber denkbar schlechte Werkzeuge.

SchneidersLaden kam gut durch die Pandemie. Viele Menschen begannen zu malen, zu kochen oder zu nähen – andere bastelten elektronische Töne zusammen. Das Interesse an dem entsprechenden Equipment war groß; die Zahl der Online-Bestellungen wuchs ebenso wie die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in SchneidersLaden, die durch eine gute telefonische Beratung punkten konnten.

Im Keller des Geschäfts wird emsig renoviert. Entlang eines langen Ganges hängen noch alte Plakate von Künstlerinnen und Künstlern, die eng mit Musik-Bading verbunden waren. Auf der rechten Seite gehen zahlreiche Räume ab. Wollte man sich bei Bading früher eine Schallplatte kaufen, konnte man sie in diesen kleinen komfortablen Räumen vorab anhören. Künftig sollen hier Liebhaberinnen und Liebhaber elektronischer Instrumente ihre vorausgewählten Komponenten ausführlich ausprobieren können – „um zu verstehen, was man da kauft“, so Schneider.

SchneidersLaden

Trotz des Ausbaus wird der Platz im Geschäftshaus Karl-Marx-Straße 186 auch künftig nicht ausreichen. Ganz in der Nähe am Alfred-Scholz-Platz entsteht in der alten Storch-Apotheke eine Außenstelle mit dem Schwerpunkt auf Reparatur. Die Philosophie dahinter: „Mending ist besser als ending“. Aufgebaut wurde ein Reparatur-Team, das sich bemüht, alles zu reparieren. Herr Schneider will seine Kundschaft dazu ermutigen, sich zweimal zu überlegen, etwas Neues zu kaufen. Es sollen folglich bewusste Kaufentscheidungen getroffen werden. Und wenn einmal der Synthesizer oder ein Modul kaputt gegangen ist, soll zuerst das Reparatur-Team um eine Einschätzung gebeten werden.

SchneidersLaden möchte ausdrücklich an die Tradition des Musikhauses anknüpfen und wünscht sich das Geschäft als einen Ort der Begegnung und Kommunikation für musikmachende Menschen. Der Standort ist optimal, weil hier „in jedem Sandkorn ein Musiker steckt“, so Andreas Schneider. Auch die musikalische Nachbarschaft mit dem Heimathafen, der Neuköllner Oper, dem Chorzentrum und vor allem auch den vielen kleinen Instrumentenbauenden kann sich gegenseitig inspirieren und stellt seiner Meinung nach eine große Chance für die Entwicklung des Zentrums Karl-Marx-Straße dar.
Stephanie Otto, raumscript, mit einem Dankeschön an Andreas Schneider von SchneidersLaden