Die 15. Ausgabe des BROADWAY erzählt unter dem Titel „Blicke“ die Geschichten und Perspektiven einiger Menschen und Einrichtungen auf das Zentrum Karl-Marx-Straße. Sie zeigt, wie jene, die hier leben, wirken und arbeiten, die Straße tagtäglich mitgestalten und sie so zu einem lebendigen und einzigartigen Ort machen. Wir sprechen mit unterschiedlichen Akteur*innen, fangen die Sichtweisen von Kindern, Jugendlichen und Senior*innen ein und gewähren spannende Einblicke in die vielfältigen Lebensrealitäten entlang der Karl-Marx-Straße und in den angrenzenden Kiezen.

Stand Oktober 2024

Im Blickpunkt

Shoppen, Schlemmen, Staunen. Entlang der Karl-Marx-Straße reihen sich eine Vielzahl von Geschäften, Restaurants, Kultureinrichtungen und vieles mehr mit originellen Konzepten. Einige Betriebe, darunter das Passage Kino, prägen das Bild der Straße bereits seit vielen Jahren. Andere, wie Rough Trade Berlin, bereichern erst seit kurzem das Angebot vor Ort. Warum sich ein Besuch in der Karl-Marx-Straße jederzeit lohnt? Weil es immer wieder Neues zu entdecken gibt!

Snipes

Karl-Marx-Straße 97-99
12043 Berlin
www.snipes.com
Buchung des Studio44: studio44.dmdr.io

Snipes

Snipes in der Alten Post

Im September 2023 eröffnete SNIPES, einer der führenden Sneaker- und Streetwear-Anbieter in Europa und den USA, in der Karl-Marx-Straße 97–99 seinen 400. Store in Europa. In der Alten Post gelegen, verfolgt SNIPES ein außergewöhnliches Konzept – getreu seinem Motto „More than a retailer“. Einzigartig ist nicht nur die Gestaltung des Stores, welche auf originelle Weise den historischen Bau mit Elementen der Streetculture verbindet – zum Beispiel mit einer Kasse, die an einen Spätkauf erinnert, und dem großflächigen Artwork der lokalen Graffiti-Crew „1UP” im Eingangsbereich. Auch das Angebot ist etwas Besonderes. Denn: SNIPES ist am Standort Karl-Marx-Straße Verkaufsraum und Ton- und Tanzstudio in einem!

Mit dem Community Space „Studio44“ verfügt der Store über ein hochprofessionelles Ton- und Tanzstudio, das selbst von bekannten Künstler*innen regelmäßig genutzt wird. In erster Linie wurde das Studio44 jedoch für soziale Einrichtungen, Schulen, Musik- und Tanzschulen sowie zur Förderung lokaler Talente geschaffen. Damit ist es ein Ort des gegenseitigen Austauschs, der Kunst und der Kultur. Die Nutzung ist kostenlos, die Buchung erfolgt bequem über die Internetseite.

Snipes

Tanzstudio, Studio44 (Foto: Snipes)

Die Inspiration für dieses Pionierprojekt im deutschen Einzelhandel stammt aus den Vereinigten Staaten. Dort haben es sich Unternehmen wie SNIPES schon länger zur Aufgabe gemacht, sich in der direkten Nachbarschaft zu engagieren. Im Zentrum Karl-Marx-Straße organisierte SNIPES beispielsweise bereits gemeinsam mit dem gemeinnützigen Träger Outreach das „Blockart Festival“, das neben Getränken, Speisen, Nail Art und Barbern unter anderem auch Live-Musik bot. Ebenfalls in Zusammenarbeit mit Outreach richtete SNIPES zudem ein Fußballturnier aus, bei dem junge Frauen und Männer aus Neukölln in Zweierteams gegeneinander antreten konnten.

Es wird deutlich: Mit seinem „Community First“-Ansatz verknüpft SNIPES eindrucksvoll Einzelhandel, Nachbarschaft und Kultur in der Karl-Marx-Straße in Neukölln – mit dem Rest der Welt.

Christoph Lentwojt, raumscript

Rough Trade Berlin

Karl-Marx-Straße 101
12043 Berlin
www.roughtrade.com

Rough Trade

Rough Trade Berlin in der Karl-Marx-Straße (Foto: Rough Trade)

Dass die Neuköllner Geräuschkulisse vielfältig und laut ist, dürfte über die Grenzen Berlins hinaus bekannt sein. Dass diese nun auch mit Musik „aus der Rille“ – von Jazz bis Indie Rock – bereichert wird, womöglich noch nicht. Denn seit April hat in der Karl-Marx-Straße 101 die erste deutsche Filiale des Londoner Schallplattenladens Rough Trade geöffnet.

Was bewegt jemanden, in Zeiten des längst digital gewordenen Musikvertriebs einen Laden für analoge Schallplatten aufzumachen? Geschäftsführer Curt Keplin ist überzeugt: Viele kaufen Schallplatten, auch ohne einen Plattenspieler zu besitzen. Darüber hinaus hat Rough Trade ein einzigartiges Geschäftsmodell entwickelt, nämlich die Kombination aus Retail und Veranstaltungen. Und dieses einzigartige Konzept findet Anklang! Im Rahmen sogenannter „In-Store-Events” treten Künstler*innen zur Bewerbung eines neuen Albums, meist in Kombination mit einer Autogrammstunde, direkt im Laden auf. Die Tickets dafür sind gratis. Größere Konzerte hingegen finden bei den „Out-Store-Events” (in Kooperation mit dem Anbieter DICE) statt – hier erhält man die Konzertkarte beim Kauf des neu veröffentlichten Albums. Veranstaltungsorte sind die Clubs im umliegenden Kiez, also kleine, intime Räumlichkeiten mit Kapazitäten zwischen 300 und 500 Personen – und das selbst bei großen Namen. Darüber hinaus findet man bei Rough Trade neben Tonträgern auch Bücher, Merchandise, einen eigens für Rough Trade entwickelten Plattenspieler, Soundanlagen, einen Fotoautomaten für analoge Passfotos mit Rough-Trade-Prägung und eine Bar mit Kaffee und Craft Bier von lokalen Akteuren wie Five Elephant und Heidenpeters.

Seit Mitte Juli gibt es an ausgewählten Nachmittagen außerdem DJ-Sets sowie die Afterwork „Aperetivo Sessions“. Auch ein Außenbereich ist in Planung.

Was erhofft sich Curt Keplin für den Neuköllner Standort? Einzigartige Events sowie Einkaufserlebnisse zu ermöglichen und einen Beitrag zur Berliner Kultur- und Musiklandschaft zu leisten. Mag der Blick in die Zukunft heutzutage unsicher erscheinen, steht eines jedoch fest: Mit Rough Trade Berlin geht es in der Karl-Marx-Straße nun noch musikalischer zu.

Carolina Crijns, raumscript

Passage Kino

Karl-Marx-Str. 131
12043 Berlin
www.yorck.de/kinos/passage

Passage Kino

Passage Kino (Foto: Daniel Horn)

Mit seiner über 100-jährigen Geschichte gehört das Passage Kino in Neukölln zu den traditionsreichsten und schönsten Kinos der Stadt. Geleitet wird es von Janna Lihl, die selbst freie Produzentin ist und Bewegtbildforschung studiert hat.

Eröffnet im Jahr 1910 unter dem Namen „Excelsior“, war das Kino ursprünglich als Theater- und Filmspielstätte gedacht. Nach zwei Weltkriegen und einer Zeit als Möbellager in den 1960er-Jahren wurde es 1989 von der Yorck Kinogruppe wiederbelebt. Heute strahlt der denkmalgeschützte Kinosaal 1 mit goldenem Stuck und rotem Samt in alter Pracht, während drei weitere moderne Säle hinzugekommen sind. Seit der Renovierung 2021, konzipiert von den renommierten Batek Architekten, ergänzt ein stilvolles Foyer mit Café das Kinoerlebnis.

Besonders zeichnet sich das Passage Kino nicht nur durch seine beeindruckende Architektur aus, sondern auch durch das sorgfältig kuratierte Filmprogramm und die vielseitigen Veranstaltungen. Die wöchentliche „Sneak Preview“ am Dienstag bietet Filmfans spannende Überraschungen mit Vorpremieren, die entweder englisch untertitelt sind oder, bei englischsprachigen Filmen, mit deutschen Untertiteln gezeigt werden. Einmal im Monat begeistert „Cine en Español“ mit spanischsprachigen Filmvorführungen und anschließenden Gesprächen bei einem gemütlichen Umtrunk. Diese Events ziehen nicht nur Kinoliebhaber*innen aus der Nachbarschaft an, sondern auch weit über die Bezirksgrenzen hinaus. Zukünftige Projekte mit Neuköllner Kulturschaffenden sind bereits in Planung und unterstreichen die enge Verbindung des Passage Kinos mit der lokalen Kulturszene.

Die Lage an der belebten Karl-Marx-Straße bringt dem Kino viele Besuchende. Die Passant*innen, die durch die Passage von der Karl-Marx- zur Richardstraße flanieren, bleiben oft stehen, um sich das aktuelle Programm anzusehen. So schafft das Passage Kino eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne, zwischen lokalem Flair und überregionaler Anziehungskraft – ein kultureller Ankerpunkt in Neukölln, der Kino zu einem besonderen Erlebnis macht.

Marius Peix, Citymanagement

CANK

Karl-Marx-Straße 95
12043 Berlin
www.cank.berlin
www.bechstein-network.com/cank

CANK

CANK im ehemaligen C&A-Gebäude (Foto: BECHSTEIN NETWORK)

Das ehemalige C&A-Gebäude kann viele Geschichten erzählen: 1953 errichtet, diente es bis 2012 als C&A-Kaufhaus, von 2015 bis 2018 als Flüchtlingsunterkunft, davor und danach stand es jedoch jahrelang leer. Das Gebäude in prominenter Lage schien zu verfallen, seine Zukunft ungewiss. Nicht nur diverse Nachnutzungen wurden diskutiert, sondern sogar ein möglicher Abriss. Doch der Leerstand hat, seit November 2023 und bis zumindest 2028, ein Ende: Denn es gibt endlich wieder eine neue Zwischennutzung. Aus C&A in Neukölln wird CANK.

Hinter dem Projekt steht die Location- und Eventagentur BECHSTEIN NETWORK aus Berlin. Neben dem CANK in der Karl-Marx-Straße 95 betreibt die Agentur auch die Wilhelm Studios in Reinickendorf (ehemalige Eisengießerei), das Prince Charles in Kreuzberg (heute Club, früher Schwimmbad), das Brixen in Zehlendorf (altes Bahnhofsgebäude) und viele weitere Veranstaltungsorte. Mit der Bespielung ungewöhnlicher Räumlichkeiten kennt BECHSTEIN NETWORK sich also aus. Was aber ist für das CANK geplant?

Blick aus dem CANK

Inside-Out: Blick aus dem CANK auf die Karl-Marx-Straße (Foto: BECHSTEIN NETWORK)

Bei einem Gebäude, das sich über fünf Geschosse und eine Fläche von 10.000 Quadratmeter erstreckt, ist das gar nicht so einfach. Vor allem dann, wenn das Konzept nicht nur tragfähig sein soll, sondern man damit auch das Flair des Bezirks aufgreifen möchte. Mit anderen Worten: neben spannender Eventlocation soll hier ein Ort für Kunst und Kultur entstehen, an dem auch Konzerte, Stand-up-Comedy und Subkultur stattfinden können. Diese Nutzungen sind vor allem im Erdgeschoss und in der ersten Etage vorgesehen – dort wechseln sich öffentlich zugängliche und geschlossene Veranstaltungen somit ab. So öffnete sich das Gebäude dem Kiez in diesem Jahr bereits im Rahmen von 48 Stunden Neukölln, der Berlin Art Week sowie dem Fußballturnier, das in Kooperation zwischen SNIPES und Outreach entstand (siehe auch S. 17). Worüber man sich in diesem Jahr außerdem noch freuen kann: den Nowkoelln Flowmarkt, denn der zieht über die Wintermonate ins CANK.

Während das Erdgeschoss und die erste Etage eventbezogen bespielt werden, sollen in der zweiten Etage langfristig und der Öffentlichkeit durchgehend zugängliche Ausstellungen zu sehen sein. Mit „Art of the Brick“ steht die erste auch schon fest: Von Oktober 2024 bis März 2025 können Besuchende in die immersive Welt von LEGO eintauchen. Damit kommt die Wanderausstellung nach vielen namhaften Städten nicht nur nach Berlin, sondern das Gebäude ist nach langer Zeit auch wieder regelmäßig besuchbar.

Für das dritte Geschoss gibt es Ideen für verschiedene Nutzungen, wie zum Beispiel Ateliers, Fotostudios oder Büros. Für das vierte und oberste Geschoss hingegen ist die Ausgestaltung noch offen. Dort fanden jedoch bereits Runways im Rahmen der Berliner Fashion Week im Frühjahr 2024 statt.

Schien das Gebäude vor nicht allzu langer Zeit völlig aus der Mode gekommen zu sein, könnte man nun fast meinen, mit dem neuen Nutzungskonzept ein Vintage-Produkt mit Upcycling-Effekt geschaffen zu haben. Denn durch die neue Zwischennutzung erfährt nicht nur das Gebäude selbst eine enorme Aufwertung, sondern auch das Zentrum Karl-Marx-Straße – mit Impulsen für die gesamte Stadt.

Welche Geschichte das CANK am Ende geschrieben haben soll? Nun, laut Fabian Braunbeck von BECHSTEIN NETWORK, die beste, die das Gebäude je hatte. Was man sich in Zukunft über das einstige Kaufhaus erzählen wird, lässt sich heute noch nicht erahnen. Fest steht, dass dessen Geschichte mit dem Einzug von CANK immerhin endlich wieder fortgeschrieben wird.

Carolina Crijns, raumscript