Die 15. Ausgabe des BROADWAY erzählt unter dem Titel „Blicke“ die Geschichten und Perspektiven einiger Menschen und Einrichtungen auf das Zentrum Karl-Marx-Straße. Sie zeigt, wie jene, die hier leben, wirken und arbeiten, die Straße tagtäglich mitgestalten und sie so zu einem lebendigen und einzigartigen Ort machen. Wir sprechen mit unterschiedlichen Akteur*innen, fangen die Sichtweisen von Kindern, Jugendlichen und Senior*innen ein und gewähren spannende Einblicke in die vielfältigen Lebensrealitäten entlang der Karl-Marx-Straße und in den angrenzenden Kiezen.

Stand Oktober 2024

Geschichten aus und für Neukölln

Die Neuköllner Oper ist Schauplatz einzigartiger Erzählungen und fasziniert Besuchende aller Altersstufen aus Berlin, Deutschland und der ganzen Welt. Als führendes Produktionshaus für neues Musiktheater prägt sie das Bild der Karl-Marx-Straße entscheidend mit und ist aus ihr nicht mehr wegzudenken. Grund genug, von Andreas Altenhof, Mitglied des dreiköpfigen Direktoriums und Leiter der Kommunikation, mehr über das Opernhaus und dessen Sicht auf das Zentrum Karl-Marx-Straße zu erfahren.

Neuköllner Oper

Die Neuköllner Oper ermöglicht mit ihrer einzigartigen Bühnenkonstruktion ein hautnahes Theatererlebnis – ohne die übliche Trennung von Bühne und Publikum durch einen Orchestergraben wie in anderen Opernhäusern (Foto: Philipp Plum)

Herr Altenhof, was unterscheidet die Neuköllner Oper von anderen Kultureinrichtungen entlang und abseits der Karl-Marx-Straße?
Uns war es schon immer ein besonderes Anliegen, Neukölln und speziell die Karl-Marx-Straße in unsere Produktionen einzubeziehen und dem Publikum näherzubringen. Damit heben wir uns auch von anderen Opernhäusern ab. Während andernorts klassische und bekannte Stücke gespielt werden, greifen wir Geschichten, Stimmungen sowie aktuelle Ereignisse und Herausforderungen aus dem Kiez, der Stadt und der Gesellschaft auf und bringen diese auf die Bühne. Eine meiner Aufgaben ist es daher, mit den Menschen, die hier leben und arbeiten, in den Austausch zu treten und mir ein Bild von all dem zu machen. Als die Neuköllner Oper 1988 nach Neukölln kam, und dann auch noch hier in die Karl-Marx-Straße, dachten wohl viele: ‚Eine Oper? Das ist das Letzte, was Neukölln braucht.‘ Als die Menschen jedoch erkannten, wie wir mit unserer Arbeit und Herangehensweise das Zusammenleben und den Stadtraum bereichern, änderte sich diese Haltung schnell. Sie verstanden, dass wir kein konventionelles Opernhaus sind, sondern Themen aufgreifen, die uns direkt vor der Haustür begegnen.

Was macht für Sie als Kulturhaus das Zentrum Karl-Marx-Straße so attraktiv?
Die Karl-Marx-Straße war schon immer eine bedeutende Magistrale in Neukölln. Und das ist sie auch heute noch. Besonders schätzen wir die reizvolle Lage. Die Passage, in der wir unsere Räume haben, verbindet nicht nur die Karl-Marx-Straße mit der Richardstraße, sondern auch mit dem alten Ortskern von Neukölln, Rixdorf. Doch nicht nur heute, sondern auch schon damals hatte dieser Standort seinen Reiz. So war die Karl-Marx-Straße, als wir hierher zogen, stark von Leerstand geprägt. All die ungenutzten Flächen boten uns aus künstlerischer Sicht ungeahnte Potenziale zur Bespielung. Heute zeigt sich die Karl-Marx-Straße in einem völlig neuen Licht. Die vielen neuen Gebäude und Nutzungen bringen eine außergewöhnliche Dynamik und Vielfalt in den Kiez. Davon profitieren auch wir. Darüber hinaus ist die Karl-Marx-Straße neben der Sonnenallee nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsstandort in und für Neukölln, sondern eben auch ein bedeutsamer Kulturraum.

Neuköllner Oper

Klangvolles Miteinander beim Passagenfest (Foto: Matthias Heyde)

Wie öffnet sich Ihr Haus zur Karl-Marx-Straße?
Unser Ziel war und ist es, möglichst viele Gruppen zu erreichen. Wie? In unseren Stücken erzählen wir nicht nur die Geschichten einzelner Communities, sondern arbeiten auch direkt mit Menschen aus den jeweiligen Gemeinschaften auf der Bühne zusammen. Doch auch die Kommunikation und Interaktion mit unseren Gästen – immer stärker auch über Social Media – spielt für uns eine wichtige Rolle, ebenso wie der Aspekt der Zugänglichkeit. Mit Hilfe einer von uns in Auftrag gegebenen App können Gäste beispielsweise unseren Aufführungen auch dann folgen, wenn sie der jeweiligen Sprache nicht oder nur eingeschränkt mächtig sind. Darüber hinaus sind wir Mitglied im Kulturnetzwerk Neukölln und pflegen eine enge Zusammenarbeit mit anderen Kultureinrichtungen und Akteur*innen hier im Gebiet. So haben wir beispielsweise 2014 den „Marsch der Vielfalt“ ins Leben gerufen und gemeinsam mit vielen anderen ein Zeichen für Toleranz und Respekt gesetzt. Im Rahmen der Aktion „Urban Stories“ wiederum veranstalteten wir Workshops zu Schauspiel, Musik, Tanz und Text, bei denen die Straßen Neuköllns zur Bühne für Jugendliche aus der Nachbarschaft wurden.

Neuköllner Oper

Der „Marsch der Vielfalt“ für mehr Toleranz und Respekt (Foto: Florian Büttner)

Wie hat sich aus Sicht Ihres Hauses das Zentrum Karl-Marx-Straße in den letzten Jahren gewandelt?
Erfreulich ist, dass sich entlang der Karl-Marx-Straße viele verschiedene Institutionen angesiedelt haben – vor allem rund um das Kindl-Areal und im Bereich zwischen den Neukölln Arcaden und dem Karl-Marx-Platz. Dem gegenüber stehen die zum Teil sehr hohen Mieten, die dazu führen, dass inhabergeführte Läden zunehmend von Filialketten verdrängt werden, die häufig wenig Interesse an einer gemeinsamen Entwicklung der Straße haben. Ich würde mich freuen, wenn es gelingen würde, Kunst im öffentlichen Raum dauerhaft zu verankern und mehr Raum für Miteinander statt Gegeneinander zu schaffen.

Interview: Christoph Lentwojt, raumscript

Neuköllner Oper

Andreas Altenhof, Mitglied im Direktorium (Foto: Clara Fandel)