Der KARLON #4 – 2017 legt den Schwerpunkt auf den Prozess der Sanierung. Es werden grundlegende Abläufe erläutert und Einblicke in den Umsetzungsstand der aktuellen Projekte gegeben.

Neukölln im Wandel

„Alles fließt“ – Sanierung ist ein Prozess

Die städtebauliche Sanierungsmaßnahme ist ein Prozess, in dem regelmäßig die Sanierungsziele zu konkretisieren und fortzuschreiben sind. Dies wird im Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee im Laufe des Jahres 2017 geschehen. Nachfolgend haben wir für Sie einige Fakten zum Thema Fortschreibung der Sanierungsziele zusammengestellt.

Kindl Gelände

Ein Gebiet im Umbau: Das KINDL-Zentrum für zeitgenössische Kunst auf dem ehemaligen Kindl-Gelände

Während der Durchführung einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme müssen die festgesetzten Sanierungsziele regelmäßig konkretisiert und fortgeschrieben werden. So auch im Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee. Die zu Beginn des Sanierungsprozesses 2011 formulierten Ziele waren zunächst nur grob umrissen, denn am Anfang eines voraussichtlich 15 Jahre dauernden Prozesses kann man nicht exakt bestimmen, welche neuen Anforderungen die Zeit hervorbringen wird. Die weitere Ausarbeitung der Sanierungsziele muss sich auf gründliche Untersuchungen stützen. In den vergangenen Jahren wurden deshalb zahlreiche Studien, z. B. zu den Themen Wohnen und Infrastruktur, Wohnen im Zentrum oder die Situation des Gewerbes im Sanierungsgebiet durchgeführt. Die grundlegenden Ziele der Sanierung, wie sie 2011 im Sanierungskonzept beschlossen wurden, wurden dabei aber nicht in Frage gestellt. Dazu gehören eine vitale zukunftsfähige Karl-Marx-Straße oder der Anspruch der Bewohnerschaft auf eine angemessene Versorgung mit Einrichtungen und Dienstleistungen der öffentlichen Hand.

Seit dem Abschluss der vorbereitenden Untersuchungen zur Festlegung des Sanierungsgebiets Karl-Marx-Straße/Sonnenallee (2008/2009) konnte eine deutliche Entwicklungs- bzw. Veränderungsdynamik im Gebiet beobachtet werden. Dies betrifft unter anderem Grundstücksveräußerungen, Zu- und Fortzüge, bauliche Maßnahmen auf den Wohngrundstücken und auch Veränderungen bei Dienstleistungen und Einzelhandel. Ferner sind im Sanierungsgebiet in besonderem Maße die allgemeinen Trends des Berliner Wohnungsmarkts ablesbar: Der Wohnraum wird knapper, Nachverdichtungen im Bestand z. B. durch Dachgeschossausbauten werden häufiger.

Seit 2010 sind ca. 2.650 neue Personen in das Sanierungsgebiet gezogen. Wo früher oft Leerstand prägend war, wird nun der Platz für neue Ideen genutzt. Diese neue Attraktivität führt bisweilen aber auch zu Nutzungskonkurrenzen und Begehrlichkeiten.

Vor diesem Hintergrund werden nun die Sanierungsziele aktualisiert und herausgearbeitet, ob und wie auf die Entwicklungen im Rahmen der Sanierung reagiert werden kann. Ein wichtiger Baustein dabei ist die Information und Beteiligung der Öffentlichkeit. Der Meinung der Eigentümer*innen, Bewohner*innen und weiteren Akteure im Gebiet kommt eine wichtige Rolle zu:

Sie bespielen den Raum, investieren, beleben und nutzen ihn. Die Verwaltung versucht, die unterschiedlichen Interessen in Bahnen zu lenken, gute Entwicklungen zu fördern und auch dadurch Missstände zu überwinden.

Bedeutung des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts (ISEK)

Mit dem dynamischen Planungsinstrument der Sanierung, dem ISEK, kann und soll auf die Veränderungen bzw. Erfordernisse im Gebiet während des Sanierungsprozesses angemessen reagiert werden. Die Sanierungsziele müssen immer im Einklang mit den Grundzügen des Sanierungskonzepts (ISEK) stehen und dazu dienen, die vordringlichsten Schwächen und Defizite im Sanierungsgebiet zu vermindern. Wenn sich die Bedingungen für die Beurteilung privater Vorhaben ändern, ist auch eine Überarbeitung des ISEKs mit der Fortschreibung der Sanierungsziele notwendig.

Das ISEK vermittelt den Betroffenen einen verbindlichen Rahmen für die zukünftige Entwicklung und bildet die Arbeitsgrundlage für die Verfahrensbeteiligten. Es besteht aus einem kartographischen Maßnahmenplan und einer konzeptionellen Erläuterung der Ziele.

Beteiligung an der Fortschreibung

An einer Änderung von Sanierungszielen sind verschiedene Instanzen und Gruppen beteiligt: Am Anfang steht eine Erörterung der neuen Erkenntnisse zwischen dem Fachbereich Stadtplanung des Bezirksamts, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sowie der Sanierungsbeauftragten BSG. Je nach Thema wird mit weiteren Verwaltungen, Beauftragten, Beteiligungsgremien, Akteuren und Verbänden diskutiert. In den letzten drei Jahren standen hierbei die Themen Wohnen und Infrastruktur vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt im Mittelpunkt. Angetrieben wurde die Debatte aber auch durch Stellungnahmen der Fachabteilungen für Jugend oder für Schule und Sport, durch beauftragte Gutachten, vor allem aber durch Entwürfe bzw. Bauanträge privater Bauherren und Eigentümer*innen. Zentrale Fragen waren dabei: Wie wollen wir in den nächsten Jahren zusammenleben und wie eng können wir zusammenwohnen, ohne dass die Lebensqualität darunter leidet?

Im weiteren Prozess bekam die Gebietsöffentlichkeit Gelegenheit, ihre Meinung einzubringen. Diese Anregungen fließen in die Abwägung der Ziele ein. Auch die Lenkungsgruppe der [Aktion! Karl-Marx-Straße] und das Beteiligungsgremium Sonnenallee wurden in diesem Rahmen aktiv in die Diskussion der Sanierungsziele eingebunden. Hier konnte der Bezirk an die gute Beteiligungskultur der letzten Jahre anknüpfen, die von der Arbeit der Lenkungsgruppe, des Beteiligungsgremiums, einer Vielzahl von Veranstaltungen und Veröffentlichungen sowie öffentlichen Sprechstunden im Fachbereich Stadtplanung geprägt ist. Nicht zuletzt der KARLSON, der an alle Haushalte im Gebiet verteilt wird, möchte dazu beitragen, den Menschen im Gebiet den Sanierungsprozess und seine Projekte nahezubringen und zur Beteiligung anzuregen.

In diesem Sinne gibt die vorliegende Ausgabe des KARLSON einen Einblick in den laufenden Prozess zur Anpassung der Sanierungsziele und deren Umsetzung in konkrete Projekte – von der umfassenden Bedarfsuntersuchung, über die Entscheidung zu Projektzielen und Maßnahmen bis hin zum Detailentwurf und den Baumaßnahmen.

Horst Evertz, Oliver Türk

Zeitstrahl

Aufgaben der Sanierungsziele

Über die Festlegung eines Sanierungsgebiets entscheidet die Gemeinde; bezogen auf Neukölln also das Land Berlin. Basis der Festsetzung ist eine so genannte vorbereitende Untersuchung, die die Mängel und Bedarfe eines bestimmten Stadtbereichs untersucht und Empfehlungen für seine Abgrenzung gibt. Einmal beschlossen, gilt das Sanierungsrecht nach § 136 BauGB zeitlich befristet. Ziel ist es, in dem betreffenden Gebiet festgestellte städtebauliche Missstände z. B. durch Umgestaltungen im öffentlichen Raum zu verbessern. Die Sanierungsziele bilden dabei den Rahmen für die gewünschte Entwicklung und sind Grundlage für die Genehmigung oder Versagung von baulichen Vorhaben.

Bei der Durchführung der Sanierung im Neuköllner Norden steht die Stadtentwicklung vor folgenden Aufgaben: Zum einen soll die Revitalisierung des Neuköllner Zentrums bei weitgehendem Erhalt der bestehenden baulichen und städtebaulichen Struktur gewährleistet, zum anderen müssen Antworten auf die Anforderungen an die sich wandelnde Stadt gefunden werden. Die vielfältigen städtebaulichen Funktionen müssen zukunftsfähig aus dem Bestand heraus entwickelt werden. Dazu gehören etwa die Versorgung mit Kitas, Schulen oder Grünflächen, die Verbesserung des Wohnumfeldes oder eines funktionierenden Gewerbes. Auf der Grundlage der Ergebnisse der vorbereitenden Untersuchungen (VU) beschloss das Land Berlin 2011 aufeinander abgestimmte Ziele und Maßnahmen für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee, das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK).