Der KARLON #4 – 2017 legt den Schwerpunkt auf den Prozess der Sanierung. Es werden grundlegende Abläufe erläutert und Einblicke in den Umsetzungsstand der aktuellen Projekte gegeben.

Straßenumbau mit Perspektive

Mehr Lebensqualität in Stadtquartieren – Radverkehr im Fokus

Das Thema Verkehr ist in den dicht besiedelten Stadtquartieren Berlins ein Dauerbrenner. Verkehr polarisiert und verbindet Menschen zugleich. Überall wird darüber gesprochen, gestritten, verhandelt, abgestimmt – insofern ist Verkehr eine ausgesprochen demokratische Materie.

Weserstraße

Nebenstraßen mit Kopfsteinpflaster

Mit dem Verkehrsmittel unserer Wahl, unseren täglichen Wegen und Erfahrungen hat jeder seinen eigenen Blick auf das Verkehrsgeschehen. Dabei ist niemand allein im Straßenraum, alle Verkehrsarten müssen sich den begrenzt verfügbaren Platz teilen. Das Erstarken des Radverkehrs in den letzten Jahren, unterstrichen durch zahlreiche Konzepte und Umbauten, ist daher nicht nur ein Thema für die Radler selbst. Wo Fahrradspuren geschaffen werden, entfallen PKW-Stellplätze, wo Fahrradbügel installiert werden, kann kein neuer Raum für Fußgänger entstehen. Hierzu sind mitunter schwierige Interessenskonflikte zu lösen.

Als Verkehrsmittel der Zukunft werden das Land Berlin und der Bezirk Neukölln den Radverkehr auch weiterhin intensiv unterstützen. Die Vorzüge des Fahrrades sind hinlänglich bekannt. Die Nutzung des Rads ist gesund, es verursacht keine Schadstoffe, es ist leise, es nimmt in einer engen Stadt wenig Platz ein, man kommt auf mittleren Strecken unschlagbar schnell von Haustür zu Haustür. Das Radfahren ist vergleichsweise günstig, billiger ist nur das Zufußgehen. Eine gute Fahrradinfrastruktur animiert dazu, das eigene Auto auch mal stehen zu lassen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass das Sanierungsziel „pro Fahrrad“ sich in allen Umbauplänen für Straßen im Sanierungsgebiet wiederfindet.

Die Förderung des Radverkehrs ist wichtiger Bestandteil des Ziels „pro Umweltverbund“ – so wird der Mix aus den umweltfreundlichen und sozialverträglichen Verkehrsarten Bus, Bahn, Fahrrad und Zufußgehen genannt. So soll z. B. mit dem Umbau der Karl-Marx-Straße (s. auch Berichte im KARLSON Nr. 2 und 3) nicht nur das Radfahren gestärkt, sondern auch das Bummeln und Flanieren zu Fuß attraktiver gemacht werden; zugleich soll die bereits heute bestehende gute Anbindung des Neuköllner Zentrums mit öffentlichen Ver-kehrs-mitteln weiter verbessert werden (Aufwertung der Zugangsbereiche, neuer Aufzug am U-Bahnhof Karl-Marx-Straße). Der Umweltverbund löst jedoch nicht alle Verkehrsprobleme. Der Wirtschaftsverkehr wird auch weiterhin auf den motorisierten Untersatz angewiesen sein. Auch in der Mobilität eingeschränkte Personen können häufig auf das Auto nicht verzichten. Und wer im Zentrum viel einkauft, der sieht oft keine Alternative zum Auto als Transportmittel.

Dabei ist der am schlechtesten genutzte Raum in der Stadt der, den parkende Autos einnehmen. Statistisch wird ein Auto durchschnittlich nur eine Stunde pro Tag bewegt. Deshalb war für das Gesamtkonzept zum Umbau der Karl-Marx-Straße schnell die Entscheidung gegen das „Blech“ im Straßenraum getroffen. Es geht aber nicht darum, den Anwohner*innen oder den Kund*innen ihre Parkmöglichkeit zu nehmen. Vielmehr sollen vor allem die Pendler*innen, die mit dem Auto zur Arbeit ins Zentrum kommen und dabei acht Stunden den besser nutzbaren Raum blockieren, verdrängt werden. Dies geht nur mit einer großzügigen Ausweisung von Kurzzeitparkplätzen in den Nebenstraßen. Am Abend stehen diese Plätze dann wieder den Anwohner*innen zur Verfügung. In der Karl-Marx-Straße selbst wird durch die wegfallenden PKW-Stellplätze wie auch durch schmalere Fahrbahnen Raum für Radstreifen und breitere Fußwege gewonnen. In Kombination mit den überall entstehenden neuen Fahrradbügeln wird das Einkaufen per Rad sehr attraktiv.

Im letzten KARLSON haben wir Ihnen bereits einen Überblick über die Aufwertung des Radwegenetzes in Nord-Neukölln und im Sanierungsgebiet gegeben. Alle laufenden und geplanten Verkehrsprojekte haben auch umfassende Verbesserungen für den Radverkehr im Fokus.

Enger Straßenraum

Enger Verkehr auf dem noch nicht umgebauten Abschnitt der Karl-Marx-Straße

Karl-Marx-Straße

Die Bauarbeiten im 2. Bauabschnitt (BA) Karl-Marx-Straße schreiten zügig voran. Bis Anfang 2018 ist der auf Höhe der Werbellinstraße endende Abschnitt abgeschlossen. Zwischen Uthmannstraße und Saltykowstraße ist die Ostseite bereits für den Verkehr freigegeben. Die Arbeiten am 3. BA bis zur Weichselstraße (aktuell wird hier die Ausführungsplanung erstellt) schließen 2018 unmittelbar an. Aufgrund der Komplexität dieses Abschnitts wird hier voraussichtlich bis Ende 2021 gearbeitet. Die Weiterführung des Umbaus von der Weichselstraße zum Hermannplatz (4. BA) ist planerisch noch nicht konkretisiert. Um jedoch in diesem Bereich bereits kurzfristig die Bedingungen für den Radverkehr zu verbessern, entstehen hier spätestens 2018 mit Mitteln des Landes Berlin temporäre Radstreifen in beiden Richtungen. Die Fahrbahnunebenheiten auf der Westseite sollen in diesem Zuge gleich mit beseitigt werden.

Radstreifen Karl-Marx-Straße

Radstreifen Karl-Marx-Straße nach Umgestaltung

Neckar-/Isarstraße

Vor kurzem abgeschlossen wurden die Umbauarbeiten an Neckar- und Isarstraße. Im westlichen Abschnitt entstand eine Wohn- und Spielstraße. Bäume wurden gepflanzt und zusätzliche Fahrradbügel installiert. Die Neckarstraße bietet nunmehr eine auch für Radfahrer*innen attraktive Verbindung von der Karl-Marx-Straße zur 2016 eröffneten Kindl-Treppe und zum ehemaligen Kindl-Areal.

Kindl Treppe

Treppenvorplatz und verkehrsberuhigter Bereich (Spielstraße)

Parken in der Spielstraße

Nach Fertigstellung der Spielstraße Neckar-/Isarstraße wurde immer wieder festgestellt, dass die neue Parkregelung in vielen Fällen bisher nicht umgesetzt wird. Die gekennzeichneten Parkflächen befinden sich links im Bild, die auf der rechten Seite parkenden Fahrzeuge stehen alle im Halteverbot.

Isarstraße

Weichselstraße

Ein weiterer baulicher Meilenstein des letzten Jahres war der Umbau des Straßenabschnitts Weichselstraße (ab Pflügerstraße) – Maybachufer – Lohmühlenbrücke (siehe auch KARLSON Nr. 2). Die Fahrbahnen wurden fahrradgerecht asphaltiert. Durch Neuordnung der Stellplätze entstanden breitere Gehwege, die auch für Gaststätten-Terrassen mehr Platz bieten. Auf der Lohmühlenbrücke entstanden Querungshilfen für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Räumlich korrespondieren diese Maßnahmen mit der geplanten Umgestaltung des Weigandufers und des Wildenbruchplatzes (siehe S. 6-7). Die Aufwertung für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen steht auch hier im Mittelpunkt.

Fahrradbügel

Fahrradgerechter Umbau Weichselstraße (Höhe Weichselplatz)

Donaustraße

Wer parallel zur Karl-Marx-Straße und zur Sonnenallee auf etwas ruhigeren Wegen mit dem Rad vorankommen möchte, kann künftig die Donaustraße benutzen. Nach Abschluss der Planungen wird zwischen Reuterstraße und Anzengruberstraße bis 2019 ein fahrrad- und fußgängergerechter Umbau erfolgen. Die noch vorhandenen Kopfsteinpflasterbereiche werden asphaltiert. Gehwegvorstreckungen dienen der Verbesserung der Querungsmöglichkeiten für Fußgänger*innen. Der Aufenthaltsbereich vor der Rixdorfer Grundschule wird vergrößert. Zahlreiche neue Radbügel werden installiert. Die Donaustraße fungiert dann als innerbezirkliche Radroute mit Anschluss über die Pannierstraße nach Kreuzberg und zum Richardkiez/S-Bahnhof Neukölln.

Donaustraße Ecke Weichselstraße

Donaustraße vor Umgestaltung mit Kopfsteinpflaster

Auch künftig wird sich der Bezirk Neukölln für lebenswerte Stadtquartiere einsetzen. Straßen mit Aufenthaltsqualität und ein umweltgerechter, sozialverträglicher Verkehr gehören unabdingbar dazu. So werden in die aktuelle Fortschreibung der Sanierungsziele weitere Straßenräume mit dringendem Erneuerungsbedarf aufgenommen. Hierzu gehören die Weichselstraße südlich der Pflügerstraße als künftige wichtige Nordsüdachse des Radverkehrs sowie die Rollbergstraße und die Boddinstraße. In allen Straßen stehen die Beseitigung des Kopfsteinpflasters und die Aufwertung der Gehbereiche im Mittelpunkt.

Horst Evertz, Thomas Fenske

Weiterführende Links zu Straßenbauprojekten: